DGAW: „Brauchen wir die Biotonne wirklich überall?“

Die Vorgabe, Bioabfälle ab 2015 getrennt zu erfassen, wird öffentlich kaum in Frage gestellt. Brauchen wir die Biotonne aber wirklich überall?, fragt die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW). Bei der Verwertung getrennt gesammelter Bioabfälle zeichne sich eindeutig der Trend zur Vergärung ab. Nicht nur das rohstoffliche Potenzial auch das energetische Potenzial soll genutzt werden. „Kann dies in Frage gestellt werden? Stützen Lebenszyklusanalysen diesen Verwertungsweg oder ist es ein Trugbild, eine Chimäre?“

Bei der Bioabfall-Tagung in Bremen diskutierten über 40 Teilnehmer mit den Referenten aus der Wissenschaft, von Betreibern, Juristen und Beratern den Aspekt ob eine Vergärung getrennt gesammelter Bioabfälle der thermischen Verwertung von Bioabfällen in der gemischten Haushaltstonne überlegen ist. Die Ist-Situation im bundesdeutschen Durchschnitt sei ernüchternd, wie Zahlen des IFEU-Instituts und eigene Recherchen, vorgetragen von Wiegel (ICU), belegen würden. Hinsichtlich der Klimarelevanz sei die Müllverbrennung einer CO2-Äquivalentgutschrift von 160 Kilogramm CO2-EQ je Tonne Bioabfall der Vergärung mit lediglich 109 Kilogramm CO2-EQ je Tonne Bioabfall überlegen. Beide Verwertungsmaßnahmen hätten Optimierungspotenzial, so die DGAW.

Anhand eines Planspieles in einer Modellregion wurden die Optimierungsmöglichkeiten wie konsequente Ablufterfassung und regenerative thermische Oxidation (RTO) der Abluft, hohe Wärmenutzung und hoher Torfersatz bei der Vergärung sowie verbesserter elektrischer Nutzungsgrad und ebenfalls optimierte Wärmenutzung bei der Müllverbrennung durchgespielt. Erst nach Optimierung der Vergärung näherten sich die Varianten an und lägen im Bereich von CO2-Äquivalentgutschriften von circa 250 Kilogramm CO2-EQ pro Tonne Bioabfall. Eine eindeutige Überlegenheit der Vergärung könne nicht dargestellt werden. Lediglich die Phosphatrückgewinnung könne als Alleinstellungsmerkmal für die kombinierte Vergärung/Kompostierung ins Feld geführt werden, so die DGAW. Allerdings koste die Rückgewinnung einer Tonne Phosphat aus Biomüll über 35.000 Euro im Vergleich zu einem Weltmarktpreis von rund 1.200 Euro je Tonne.

Udo Meyer (ATUS GmbH) setzte sich kritisch mit der abfallwirtschaftlichen Effizienz der Biotonne hinsichtlich der Entfrachtung des Restabfalles anhand von konkreten Daten aus Norddeutschland auseinander und ging insbesondere auch auf Kostengesichtspunkte ein. Die abfallwirtschaftliche Effizienz der Bioabfallsammlung werde überschätzt. Der gewünschte Rückgang der Bioabfälle im Restmüll falle geringer aus, als die Sammelmengen erwarten ließen. Dagegen gelangten erhebliche Grünabfallmengen, die bisher im eigenen Garten kompostiert wurden, in die Biotonne und erhöhten damit die abzufahrenden Abfallmengen. Dies führe zu einer überproportionalen Kostensteigerung.

Peter Kersandt von der Anwaltskanzlei Versteyl erläuterte, dass es zwar das Getrenntsammlungsgebot gibt, dies aber mit Vorbehalten versehen ist und darauf verzichtet werden kann, wenn es ökologisch gleichwertige Varianten gibt oder die wirtschaftliche Zumutbarkeit bzw. die technische Möglichkeit in Frage steht.

„Bioabfallvergärung ist nicht per se eine hochwertige Verwertung“, zieht die DGAW ein Fazit. Nur optimierte Varianten könnten mit einer Verwertung in einer MVA mithalten, sofern erhebliche Mengen Torf ersetzt werden könnten. Die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme ssei im Auge zu behalten. Jede Gebietskörperschaft sollte vor der Einführung zum Beispiel mit Planspielen wie in Bremen vorgeführt, die ökologische und wirtschaftliche Sinnhaftigkeit mit der konkreten abfallwirtschaftlichen Situation vor Ort prüfen.

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