Müllbeutel aus Biokunststoff sind nicht per se umweltfreundlicher

Was ist das ökologisch bessere Material? Kunststoff aus Erdöl oder aus nachwachsenden Rohstoffen? Diese Fragen sind nicht nur nicht einfach zu beantworten, sondern je nach Standpunkt und Interesse fallen die Antworten oft auch emotional aus. Die Fragen polarisieren. Und um sie sachlich zu beantworten, bedarf es schon aufwendiger Untersuchungen in Form von Ökobilanzen, die je nach betrachtetem Kunststoffprodukt auch unterschiedlich ausfallen können.

Von Walter Henkes

Die europäischen Hersteller von Müllbeuteln zur Entsorgung von Restmüll wollten es für ihr Produkt ganz genau wissen, und das nicht ohne Grund. Denn in der Politik wird immer lauter darüber nachgedacht, wie traditionelle Kunststoffe durch Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe, sogenannte Bioplastics, ersetzt werden können. In Frank­reich sollen Politiker zwischenzeitlich sogar darüber nachgedacht haben, den aus Öl hergestellten Müllbeuteln den Marktzugang durch Strafsteuern zu erschweren.

Auch in der Bevölkerung ist die Ansicht immer noch weit verbreitet, dass Bio-Kunststoffe umweltfreundlicher sind als Kunststoffe, die aus Erdöl produziert werden. Doch unter Wissenschaftlern sieht man dies durchaus differenzierter.

Wissenschaftler am Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) haben im Auftrag des Industrieverbandes Kunststoffverpackungen eine Ökobilanz durchgeführt. Dabei wurden die Umweltauswirkungen von Müllbeuteln aus Polyethylen (PE), aus Polyethylen-Rezyklaten und aus sogenanntem Bioplastics miteinander verglichen. Am umweltfreundlichsten schnitten in der Studie die Müllbeutel aus Rezyklaten ab, die aus Kunststoffabfällen aus dem Haushaltsbereich stammen: den „Post-Consumer-Rezyklaten“, kurz PCR.

Foto: Bilderbox
Was ist ökologisch besser: Kunststoff aus Erdöl oder aus nachwachsenden Rohstoffen?

In ihrer Ökobilanzstudie untersuchten die Wissenschaftler sowohl 20, 30 als auch 120 Liter fassende Müllbeutel aus den drei genannten Materialien. Dabei wurden elf Szenarien mit Fokus auf den deutschen Markt und sieben Szenarien mit Fokus auf den französischen Markt untersucht. Während die Wissenschaftler auf dem deutschen Markt davon ausgingen, dass die Müllbeutel letztlich in Müllverbrennungsanlagen verbrannt werden, berücksichtigten sie auf dem französischen Markt, dass dort immer noch Abfälle im großen Stil deponiert werden.

Im Laufe der Studie wurden Daten zu biologisch abbaubaren Rohmaterialien für Müllbeutel bei verschiedenen europäischen Herstellern gesammelt. Mit den deutschen Unternehmen Biopolymer Technologies und BASF erklärten sich zwei Hersteller dazu bereit, ihre Inventardaten für die in der Studie untersuchten Szenarien zur Verfügung zu stellen. Sie vertreiben ihre Bioplasticmaterialien unter den Namen „Biopar“ und „Ecovio“. Während Biopar bereits in Müllbeuteln verwendet wird, die in Deutschland und Frankreich verkauft werden, wird Ecovio derzeit lediglich bei der Herstellung von Einkaufstüten verwendet. Gleichzeitig em­pfiehlt BASF sein Produkt ausschließlich für Müllbeutel, die für Bioabfälle bestimmt sind, nicht aber für (Rest-)Müllbeutel.

Die Ifeu-Wissenschaftler wählten einen umfangreichen Ansatz: Um die Umweltauswirkungen der in der Müllbeutelproduktion eingesetzen drei Materialien zu testen, wurde ein breites Spektrum an Indikatoren herangezogen. Zahlreiche dieser Indikatoren können einer sogenannten ressourcenbezogenen Kategorie zugeordnet werden, wie beispielsweise der Abbau fossiler Energieressourcen, andere widerum einer emissionsbezogenen Kategorie, wie zum Beispiel dem Klimawandel, der Versauerung der Böden, der Bildung von Sommersmog und der Eutrophierung von Ökosystemen, die durch Nährstoffanreicherungen in Gewässern und Böden entstehen.

Große Ergebnisbandbreite

Die am Ifeu-Institut ermittelten Ergebnisse weisen zum Teil eine große Bandbreite auf. Beispielsweise beim Klimawandel: Hier emittieren beispielsweise bei der Verwendung von 1.000 20-Liter-Biopar-Beuteln etwa 90 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalente. Wird die gleiche Menge an Müllbeuteln aus Polyethylen verwendet, sind es hingegen nur 30 bis 40 Kilogramm. Nur bei der Verwendung von Müllbeuteln aus Post-Consumer-Rezyklaten ist die Zahl der Kohlendioxid-Äquivalente noch geringer. Ähnlich die Ergebnisse beim fossilen Ressourcenverbrauch. Dort kommen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass auf 1.000 Biopar-Beutel etwa 17 Kilogramm Rohöl-Äquivalente entfallen.

Demgegen­über liegt der Wert für 1.000 PE-Beutel bei 6 bis 10 Kilogramm. Auch hier liegen jedoch die PE-Werte noch über den PCR-Werten, die in den untersuchten Szenarien teilweise deutlich von Energiegutschriften profitieren.
Nachteile sehen die Wissenschaftler bei den Biopar-Beuteln im Vergleich zu den PE-Beuteln in der stärkeren Dicke der Bioplastics-Folien und der damit verbundenen höheren Materialmenge. Hier sehen sie aber noch erhebliches Verbesserungspotenzial der Müllbeutel aus Bioplastics. So könnte die Umwelt­eigenschaft dieser Müllbeutel noch erheblich verbessert werden, beispielsweise durch eine Kombination von Material-, Design- und technischen Verbesserungen. Hierzu sei jedoch eine engere Kooperation innerhalb der Zulieferkette notwendig.

Damit konnten die Wissenschaftler vom Ifeu-Institut die ursprünglich vermuteten ökologischen Vorteile von Bioplastics-Materialien – zumindest bei Müllbeuteln – nicht bestätigen. Im Gegenteil. Die Studie zeigt nach Aussage ihrer Auftraggeber deutlich, dass die „geplanten gesetzlichen Diskriminierungen herkömmlicher Kunststoffe beim Einsatz in Müllbeuteln … ökologisch nicht zu rechtfertigen sind“.

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