Mehr Nachhaltigkeit für die Textilindustrie

Die DBU hat die Onlineplattform „Chic und Zirkulär“ eingerichtet. Sie soll dem Potenzial der Textilindustrie nachgehen, sich im Sinne der Kreislaufwirtschaft aufzustellen.
Foto: pixabay

Die Textilindustrie kann zur Pionierin für einen Paradigmenwechsel werden: Statt getrieben von einer schnelllebigen Modebranche, die ähnlich dem Fast Food den Regeln einer Fast Fashion folgt und immer billiger und schneller produziert, schafft sie womöglich den Schwenk zur Circular Economy – zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft, angefangen vom Produktdesign über Müllvermeidung bis hin zum Wiederverwenden, Reparieren und Recyceln von Waren und Gütern. Ob und wie der Textilwelt ein solcher Richtungswechsel in eine nachhaltige Zukunft gelingen kann, hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit Fachleuten aus Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer Reihe DBU digital.

„Die Entwicklung in der Textilindustrie ist ja symptomatisch für viele andere Bereiche der Weltwirtschaft“, sagt DBU-Generalsekretär Alexander Bonde. Das lineare Geschäftsmuster, im Englischen auch als ein „take-make-waste“, als ein Verbrauchen, Verwenden und Verschwenden von Rohstoffen bezeichnet, sei „ein Auslaufmodell“. Bonde: „Umgekehrt wird ein Schuh draus und erreichen wir eine nachhaltige Zukunft auf einem lebenswerten Planeten: Die Circular Economy kann Antworten auf die Schlüsselfragen der Menschheit geben.“ Die Menschen müssten lernen, „nachhaltiges Wirtschaften in Kreisläufen zu denken – also einen sorgsamen Umgang mit den endlichen Ressourcen der Erde mit dem Ziel, Produkte so lange wie möglich zu teilen, zu leasen, wiederzuverwenden, zu reparieren, aufzuarbeiten und zu recyceln“.

Textilindustrie kann zum Vorbild werden

Die Wucht globaler Textilproduktion auf Klima, Umwelt und Ressourcen verursache mehr Treibhausgasausstoß als sämtliche internationalen Flüge sowie der maritime Schiffsverkehr zusammen, lasse Forschung und Wissenschaft oder junge Start-ups aber nicht etwa verzweifeln. Gerade darin erkennen sie laut DBU das Potenzial der Textilindustrie, zum Vorbild einer Circular Economy zu werden. „Ziel muss ein positiver ökologischer Fußabdruck sein, mit ökologisch gesunden, recycelten und recyclingfähigen Produkten“, sagt etwa Ina Budde, eine der Teilnehmerinnen am DBU digital Online-Salon. Die 32-Jährige war 2018 Mitgründerin des von der DBU geförderten Start-ups circular.fashion. Dieses ist nach Buddes Worten gewissermaßen als nachhaltige Innovationsagentur gegründet worden – mit einer Plattform, die kreislauffähiges Produktdesign voranbringt und zugleich die Infrastrukturen für das Recycling schafft. Die Start-up-Gründerin: „Mit sorgfältig gewählten Materialien und Design-Strategien werden Textilprodukte wirklich recyclingfähig.“

Materialdatenbank zum Prüfen recyclingfähiger Stoffe

Für drei Herausforderungen sind nach Buddes Einschätzung Lösungen gefragt: Produkt-Design, transparente Kundeninformation und aussagekräftige Produkt- und Materialangaben. Das Start-up circular.fashion biete zum Beispiel eine Circular Design-Software an – mit einer Art Material-Datenbank und darin aufgelisteten Stoffen, die auf Recyclingfähigkeit gecheckt werden, sowie Design-Leitlinien zu Kombinationsmöglichkeiten von verschiedenen Materialien, die einem Recycling nicht im Wege stehen. Denn: „Je purer das Material, desto höher ist die Recyclingqualität“, sagt Budde. Hinzu komme eine „circularity.ID“, also ein scanbares Etikett als Ausweis mit Produktdaten, die von Kunden mit dem Smartphone und von Altkleidung-Sortierbetrieben durch eine intelligente Sortier-Software ausgelesen werden kann. Budde: „So kann das beste Recyclingverfahren für das Produkt bestimmt werden – die Identität verhindert, dass es jemals Abfall wird.“

Dass sich etwas ändern muss, liegt für die 32-Jährige auf der Hand: „Pro Jahr werden nach Erkenntnissen der Ellen MacArthur-Stiftung weltweit etwa 100 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt. Nur rund zwölf Prozent davon werden Budde zufolge recycelt. Kleidung werde dabei etwa zu Füllmaterial in Autos. „Betrüblich“ laut Budde: „Nur rund ein Prozent der jährlich produzierten Textilien werden zu Fasern recycelt, also erneut wieder zu Kleidung. Dieser Anteil ist viel zu gering und bedeutet eine unverantwortliche Ressourcenverschwendung zu Lasten des Planeten.“

Transformation zu einer an Kreisläufen orientierten Wirtschaftsweise

Prof. Dr. Maike Rabe, wie Budde Teilnehmerin des DBU-Online-Salons, leitet an der Hochschule Niederrhein das Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung. Sie sieht Forschung und Wissenschaft an der Seite der Textilindustrie, damit die Transformation hin zu einer an Kreisläufen orientierten Wirtschaftsweise und damit einem Schutz der endlichen planetaren Ressourcen gelingt. Rabe: „Neben dem Ansatz ‚Design für Recycling‘ halten wir technologische Entwicklungssprünge für erforderlich, um Altprodukte wieder in hochwertige Faserstoffe zu verwandeln, die in ihrem Eigenschaftsprofil von neuen Rohstoffen nicht zu unterscheiden sind.“ Der dafür notwendige Prozess dürfe allerdings in der Ökobilanz nicht schlechter dastehen als die Herstellung neuwertiger Rohstoffe. Als finale stoffliche Verwertung biete sich eine biologische oder bio-chemische Vorgehensweise an, um die wichtigen Grundbausteine der Fasern zurückzugewinnen. Rabe fügt hinzu: „Es gilt, Naturprozesse nachzuahmen, um etwa mit Hilfe von Enzymen eine Trennung von Fasern zu ermöglichen.“

Nach Angaben der Hochschulprofessorin werden weltweit pro Jahr rund 110 Millionen Tonnen Textilfasern produziert, zwar nicht alles zur Bekleidungsherstellung und teils in die Fertigung technischer Textilien wie Sicherheitsgurten und Autoreifen. Gleichwohl sei in der Textilindustrie „eine Schieflage“ zu beobachten. Abgesehen davon, dass Kleidung teils lediglich eine Lebensdauer von nur noch ein- oder zweimaligem Gebrauch hat, bereite ihr eine Entwicklung „große Sorgen“. Rabe: „Von den aus den Textilfasern erzeugten Produkten landen rund 75 Prozent im Müll – entweder auf der Deponie oder in der Verbrennung. Diese Rohstoffvergeudung birgt erhebliche Risiken – nicht zu vergessen, dass für jede Tonne Faserstoff noch andere Ressourcen wie Wasser, Energie und Land verbraucht werden.“ Der Frage, ob und wie dieser Trend umgekehrt werden kann, ging der DBU digital Online-Salon auf den Grund. Die Aufzeichnung ist auf der DBU-Website und auf Youtube verfügbar.

 

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