Abfallrechtliche Produktverbote: Gutachten zeigt verfassungsrechtliche Grenzen auf

In einem Rechtsgutachten setzt sich der Berliner Abfallrechts-Experte Stefan Kopp-Assenmacher im Auftrag von fünf Industrieverbänden kritisch mit Produktverboten als Instrument des Abfallrechts auseinander und zeigt die verfassungs- und europarechtlichen Leitplanken für den Gesetzgeber auf.
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Seit Beginn der 2000er-Jahre würden auf globaler Ebene vermehrt Verbote von Produkten diskutiert, denen eine besondere Rolle im Abfallaufkommen zukommt. Zunächst führten Schwellen- und Entwicklungsländer, die über kein umfassendes und geordnetes Abfallwirtschaftssystem verfügen, entsprechende Vorschriften ein. Auch in der aktuellen Novelle des deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) sei diesbezüglich eine Neuregelung in Planung: Danach soll die Bundesregierung ermächtigt werden, bestimmte Produkte zu verbieten, wenn „ihre Verwendung in erheblichem Umfang zur Vermüllung der Umwelt beiträgt und dies nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verhindert werden kann“ (§ 24 Nr. 4 b) KrWG-E). Diese weitreichende Ermächtigung und zukünftige Verordnungen auf ihrer Grundlage würden verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, wie das aktuelle Rechtsgutachten zeige.

Bereits Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage

Der Gesetzgeber müsse darauf achten, dass er Wesentliches selbst regelt und nicht an die Exekutive delegiert. Deshalb würden für die Bestimmtheit von Inhalt, Zweck und Ausmaß der geplanten Ermächtigung strenge Anforderungen gelten. Das Gutachten komme zum Schluss, dass aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs „Vermüllung“ das Ausmaß der Delegation unklar bleibt und die Ermächtigung bereits verfassungsrechtlich bedenklich sei.

Die Wirtschaft nehme ihre Produktverantwortung sehr ernst und engagiere sich auf vielfältige Weise bei der Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft. Das Gutachten komme zu dem Ergebnis, dass Verordnungen auf Grundlage der vorgeschlagenen Ermächtigung für abfallrechtliche Produktverbote auf nationaler Ebene in den meisten Fällen nicht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen würden.

Verfassungsrechtliche Leitplanken für Produktverbote

Im Hinblick auf Verordnungen, welche auf Grundlage der Ermächtigung zukünftig erlassen werden könnten, zeige das Gutachten die verfassungsrechtlichen „Leitplanken“ insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeit auf. Durch Produktverbote würden regelmäßig die Grundrechte der Berufsfreiheit und der Eigentumsfreiheit sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen.

Im Rahmen der Prüfung, ob ein spezifisches Produktverbot auf der Grundlage von § 24 Nr. 4 b) KrWG-E „verhältnismäßig“ ist, sei bereits problematisch, dass eine Vielzahl an Produkten grundsätzlich als „vermüllungsneigend“ zu bewerten seien. Greife sich der Verordnungsgeber aus dieser Menge ein einzelnes Produkt heraus, müsse er begründen und bewerten, wieso er gerade dieses spezifische Produkt verbietet. Zukünftige Verbote müssten daher in ein kohärentes und abgewogenes Politikkonzept eingebunden sein und dürften nicht für rein politische Zwecke zum Beispiel mit Blick auf die Öffentlichkeitswirksamkeit eingesetzt werden.

Produktverbote seien zudem stets nur als letztes Mittel (ultima ratio) in Betracht zu ziehen, weil sie den „schärfsten Eingriff“ in die Handlungsfreiheit darstellen. Es seien daher strenge Anforderungen an die Suche wirksamer Maßnahmen zu stellen, jedoch ohne Verbote auszusprechen. Infrage kommen etwa freiwillige Maßnahmen, Informationspflichten sowie verstärkte Kontrollen und schließlich höhere Bußgelder für das achtlose Wegwerfen .

Vor diesem Hintergrund zeige das Gutachten, dass Produktverbote als „nationale Alleingänge“ nur in wenigen, gut zu begründenden Einzelfällen verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein werden. Sie sollten daher eine absolute Ausnahme bleiben.

Aus Sicht der Auftraggeber liefere das Rechtsgutachten wichtige Hinweise für die rechtliche Stellung betroffener Unternehmen sowie eine Reihe rechtspolitischer Empfehlungen für den Gesetz- und den Verordnungsgeber. Die Verbände empfehlen im Rahmen der Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes die aufgezeigten Leitplanken zu berücksichtigen, jedoch ohne die Schärfe von Verboten. Produktverbote, die über die Umsetzung europäischer Rechtsvorschriften hinausgehen, sollten unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden.

Auftraggeber des Rechtsgutachtens sind der Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie, die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, der Industrieverband Papier- und Folienverpackung, PlasticsEurope Deutschland und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau,Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen.

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