Gefahrstoff Filterstaub aus Müllverbrennung

Eines der Produkte der Müllverbrennung sind Filterstäube. Sie gelten als wichtige Schadstoffsenke und können nachweislich nur in stabilisierter Form deponiert werden. Wie der Müllskandal in Sachsen-Anhalt zeigt, reicht diese Vorgabe nicht aus. Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen gelten aber nicht erst seit dem Müllskandal als Gefahrgut. Sie enthalten je nach verbranntem Abfallgemisch von Antimon bis Zink eine ganze Palette toxischer Metalle. Hinzu kommen teilweise hochgiftige Dioxine.

Von Bernd Schlupeck, erschienen im RECYCLING magazin 23(2011.

Jährlich fallen etwa 450.000 Tonnen des Materials an, eine wirtschaftlich rentable Recyclinglösung ist bisher aber nicht in Sicht. Schon im Jahr 2002 wurde deshalb in der Versatzverordnung der Bergversatz in trockenen Salzgesteins­formationen als einzi­ger Verwertungsweg für den dauerhaften Abschluss schadstoffhaltiger Abfälle festgelegt – mit Nachweis der Langzeitsicherung.

Stabilisiert im Gemisch mit anderen Stoffen oder Zement können Filterstäube aus Verbrennungsanlagen unter strengen Kontrollen auf normalen Hausmülldeponien abgelagert werden. Laut Deponieverordnung sind dafür bestimmte Grenzwerte an Schwermetall­gehalt vor dem Einbau geknüpft und in Eluatanalysen regelmäßig zu überprüfen: Durch das 10:1-Schüttelverfahren muss die ordnungsgemäße Entgiftung des Abfalls mit einem anerkannten Umwandlungsverfahren wie der Cyanid-/ Chromatentgiftung oder mittels sulfidischer Schwermetallfällung erfolgt und durch das pH-stat-Verfahren bei sauren Bedingungen und alkalischen Bedingungen – pH 4 beziehungsweise 11 – bestätigt sein.

Eine vollständige Stabilisierung zu erreichen sehen Wissenschaftler allerdings kritisch. Denn die genannten Verfahren können nicht garantieren, dass alle Schadstoffe in den Stäuben vollständig umgewandelt werden oder für die Ewigkeit gebunden sind. Vielmehr würden einzelne Bestandteile teilweise eingekapselt und damit bei Durchströmung schwerer auswaschbar oder weniger flüchtig. „Es kann weiterhin die Gefahr bestehen, wie auch alle unsere Recherchen zeigten, dass kurz-, mittel- oder langfristig Emissionen entstehen“, sagt Günter Dehoust, Autor der Öko-Institut-Studie, die 2004 die obertägige Verwertung von Abfällen mit dem Bergversatz verglich. Eine Ablagerung sollte deshalb unter Tage erfolgen. Rechtlich ist eine oberirdische Deponierung nur auf einer Sonderabfall­deponie der Klasse III zulässig.

Deponierung gefährlicher Abfälle

Filterstäube gehören aufgrund ihres Schadstoffgehalts zu den besonders überwachungsbedürftigen Abfällen und ihre sichere Stabilisierung ist nicht so trivial. Meist findet nur eine Immobilisierung durch Vermischen mit anderen Stoffen statt. „Die Deponieverordnung regelt, wann ein Abfall als stabilisiert gilt. Das schließt die Stabilisierung durch Vermischen mit zum Beispiel hydraulisch abbindenden Stoffen, die häufig angewandt wird, ein“, sagt Volker Weiss, Leiter des Fachgebiets Abfalltechnik und Abfalltechniktransfer im Umweltbundesamt. Inwieweit die Stabilisierung in der Praxis ordnungsgemäß durchgeführt werde, kann jedoch nur die für den Vollzug zuständige Länderbehörde beurteilen.

Bislang konnte kein Verfahren überzeugend eine permanente Immobilisierung von Filterstäuben zeigen. Viele Kraftwerksbetreiber und die meisten Bundesländer sprechen sich daher gegen eine Deponierung aus. Eine ifeu-Studie aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Schluss, dass die Verwertung von Rückständen aus MVA-Filtern keine andere ökologische und wirtschaftliche Alternative als den Bergversatz zulässt.

Dieser Weg war einigen Anlagenbetreibern und Abfallhändlern mit etwa 100 Euro pro Tonne in der Vergangenheit offensichtlich noch zu teuer. Die Abnahme durch Entsorger wie die Pohritzscher Firma S.D.R. Biotec und der Einbau angeblich immobilisierter Filterstäube durch die Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft (MDSE) auf Deponien in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus in Sachsen und Thüringen war somit ein willkommener Weg. Kosten die versprochene schadlose Aufbereitung und die obertägige Verwertung auf einer Hausmülldeponie der Klasse I oder II doch nur knapp die Hälfte des Bergversatzes.

Das ostdeutsche Bundesland ist das einzige, welches den Einsatz sogenannter immobilisierter Abfälle in den vergangenen Jahren im großen Stil zur Profilierung von Altdeponien, also als Deponieersatzbaustoff, genehmigt hat. Das Landesumweltministerium Sachsen-Anhalt hat damit zwischen 2007 bis 2009 etwa vier Millionen Tonnen derartiger Abfälle – neben Industrie­schlacken zum großen Teil Filterstäube – aus dem gesamten Bundes­gebiet Tür und Tor geöffnet. Selbst nach dem aufgedeckten Müllskandal um S.D.R. Biotec und kritischen Messergebnissen durch Analysen des Landesverwaltungsamts auf Deponien in Sachsen-Anhalt glaubt die MDSE nichts falsch gemacht zu haben.

„Schlupflöcher“ der DepV gestopft

Eine Deponierung ordnungsgemäß stabilisierter Abfälle auf Hausmülldeponien ist rechtlich durchaus zulässig, wenn die entsprechenden Zuordnungswerte der Deponieverordnung (DepV) erfüllt werden. Nur sei eine vernünftige Stabilisierung in Sachsen-Anhalt vor der Deponierung, laut Branchenkreisen, eben nicht erfolgt und wurde zudem teilweise mit unzulässigen Stoffen durchgeführt. Dieser systematische Einbau künftiger Altlasten sei, nur durch kollektives Wegschauen beim Vollzug möglich gewesen.

Mit der Novellierung der Deponieverordnung, die zum 1. ­Dezember in Kraft tritt, wurden zumindest die „Schlupflöcher“ gestopft, um Abfälle auf Deponien zu bringen, die erst dort stabilisieren sollen. Dazu wird in Paragraf 6 konkretisiert, dass vollständig stabilisierte Abfälle auf Deponien oder Deponieabschnitten nur abgelagert werden dürfen, wenn alle Zuordnungswerte des Elutionsverfahren bei konstantem pH-Wert 4 und 11 bereits bei der Anlieferung eingehalten werden. Ferner wird die Formulierung „bereits bei der Anlieferung“ in Paragraf 14 als Grundsatz für den Einbau als Deponieersatzbaustoff eingebracht. Dass dies viel bewirken wird, sieht Thomas Fischer, Projektmanager Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe, nicht: „Ein Elutionsverfahren vor dem Einbau gibt trotz enger Zuordnungskriterien nur Auskunft darüber, wie sich die Abfälle in einem kurzen Zeitraum verhalten, nicht aber in 20 Jahren.“

Neue Altlasten bleiben vorerst

Noch Mitte September hatten einige Entsorger versucht, im Bundestag die Novelle der DepV durch die Formulierung „grundsätzlich bereits bei der Anlieferung“ zu entschärfen – ohne Erfolg. Die MDSE hat bereits ihre Gewinnerwartungen für 2010 nach unten korrigiert. Was mit den in Sachen, Sachsen-Anhalt und Thüringen abgelagerten stabilisierten Filterstäuben passiert, ist noch offen. Mit einem Ausbau der künftigen Altlasten ist allerdings nicht zu rechnen.

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