Baurestmassen müssen „raus aus der Abfallecke“

Im Interview mit dem RECYCLING magazin äußert sich der Generalsekretär der Internationalen Vereinigung Baustoff-Recycling (FIR), Geert Cuperus, über die Erwartungen der Branche, dass die Europäische Kommission sinnvolle Kriterien zum Abfallende mineralischer Abfälle vorlegt, und welche Vorteile eigentlich ein Produktstatus für die Baustoffrecycler bringt.

RM: Herr Cuperus, Ihre Kollegen aus dem Schrott- und Papierbereich sind vielfach enttäuscht von den Kriterien zum Ende der Abfalleigenschaft. Sind Sie noch guter Dinge?

Geert Cuperus: Wir erwarten eigentlich, dass die Europäische Kommission sinnvolle Kriterien zum Abfallende mineralischer Abfälle vorlegt, sodass sich daraus positive Effekte für den Abfallstrom ergeben. Mit der vorhandenen gesetzlichen Situation haben Recyclingbaustoffe eher einen schwierigen Stand. Aber alles deutet darauf hin, dass Baustoffe aus rezyklierten Inputmaterialien vermehrt als Produkt denn als Abfall anerkannt werden. Das Ende der Abfalleigenschaft sollte daher ein formales Problem darstellen.

RM: Also alles kein Problem?

Cuperus: Die bestehenden Qualitätssicherungssys­teme in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten sind bereits heute dazu geeignet, die Kriterien der Abfallrahmenrichtlinie zu überprüfen und zu sichern. Die Hauptfrage für das Abfallende lautet daher: Erfüllen rezyklierte Zuschlagstoffe die Anforderungen der nationalen Qualitätssicherungssysteme? Diese Systeme müssen natürlich auch die vorhandenen europäischen Bestimmungen, wie etwa Produktnormen, für solche Stoffe integrieren.

RM: Was genau ist der aktuelle Stand des ­Verfahrens?

Cuperus: Die Europäische Kommission, vielmehr das Joint Research Centre (JRC), untersucht derzeit in einer Studie das Auslaugungsverhalten von Recyclingzuschlagstoffen als ­Parameter für das Abfallende. Problematisch an der Sache ist, dass hierfür ein sehr theoretischer Ansatz gewählt wurde. Konkret wird versucht, jedes Expositionsszenario für Materialien in Recyclingbaustoffen theoretisch zu berechnen und Kriterien daraus abzuleiten. Das ist zugegebener­maßen nicht sehr praxisorientiert. Aus ­diesem Grund hat die FIR ihre Bedenken dem­gegenüber geäußert.

RM: Wie sieht es in den einzelnen EU-Staaten aus?

Cuperus: Auf nationaler Ebene gibt es aktuell mehr Fortschritte. So hat zum Beispiel Großbritannien Zertifikate unter anderem für rezyklierte Gesteinskörnungen entwickelt, die den Produktstatus kennzeichnen. Und in den Niederlanden wird gerade eine Reihe von Kriterien für das Abfallende entwickelt, basierend auf einem Qualitätssicherungsprogramm, europäischen Produktnormen und nationalen Vorschriften für eine Umweltprüfung.

RM: Für wann rechnen Sie mit konkreten und praktikablen Kriterien für das Abfallende? In einigen Mitgliedstaaten werden konkrete Abfallendeeigenschaften im Jahr 2012 ausgestaltet. Auf EU-Ebene erwarte ich allerdings Verzögerungen. Insgesamt hoffe ich aber, dass sich 2012 noch etwas tut.

Cuperus: Welche Vorteile bringt der Produktstatus überhaupt für Baustoffrecycler?
Der Produktstatus ist grundsätzlich in den meisten Mitgliedstaaten erforderlich, um Recyclingzuschlagstoffe überhaupt wahrzunehmen. In bestimmten Bereichen, wie beispielsweise für den Einsatz in rezyklierter Gesteinskörnungen in ­RC-Betonen, wird der Produktstatus von den Kunden mehr oder weniger gefordert. Generell ist festzuhalten, dass der Produktstatus das Bild von Recyclingbaustoffen stark verbessern kann. Dazu muss in der Praxis allerdings vollständige Klarheit herrschen. Fragen Sie unterschiedliche Beteiligte in der Branche: Manche betrachten rezyklierte Gesteinskörnungen als Abfall, andere wiederum nicht. Diese Unklarheit führt aktuell zu Verzögerungen bei Bauprojekten, irrtümlichen Sanktionen für Baustoffrecycler und enormen finanziellen Belastungen für Behörden und Unternehmen.

RM: Aber in Deutschland gibt es heute schon Gütezertifikate, die durchaus strenge Anforderungen an den Recyclingbaustoff stellen. Der hochwertige Einsatz dieser Stoffe, wie etwa im Hochbau, hat sich dadurch nicht merklich erhöht. Woran liegt das?

Cuperus: Die Akzeptanz aufseiten der Betonindustrie muss noch geschaffen werden. Im Diaolog müssen die Beteiligten überzeugt werden, dass rezyklierte Zuschlagstoffe zu den Produkten gehören und nicht zu den Abfällen. Allerdings wächst das Interesse. Gerade weil rezyklierte Gesteinskörnungen einem neuen Sinn für Nachhaltigkeit entsprechen.

RM: Spielen nicht letztlich Kostenaspekte die entscheidende Rolle? Solange der Recyclingbaustoff nicht deutlich billiger ist, wird er sich als regulärer Baustoff am Markt nicht durchsetzen.

Cuperus: Natürlich. Ein Weg, das zu ändern, ist, Recyclingbaustoffe aus der Abfallecke herauszu­holen und damit unnötige finanzielle Mehraufwendungen bei der Aufbereitung und ­Herstellung solcher Stoffe zu vermeiden.

RM: Und das reicht aus, um den Kostenunterschied zwischen RC-Baustoff und Primärbaustoff auszugleichen?

Cuperus: Diese Frage lässt sich nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantworten und ist stark abhängig von länderspezifischen Gegebenheiten. Nicht immer ist der RC-Baustoff der güns­tigere, aber darum geht es auch nicht. Das wichtigere Ziel des Abfallendes ist, Recyclingbaustoffe salonfähig zu machen.

RM: Andere Länder wie die Niederlande sind im Einsatz von Recyclingbaustoffen wesentlich erfolgreicher. Was machen diese Länder besser?

Cuperus: Es ist immer schwer, die Situation in den einzelnen EU-Staaten miteinander zu vergleichen. Zu Ihrem Beispiel: Die Niederlande sind prädestiniert für den Einsatz von ­Recyclingbaustoffen. Das Gebiet ist dicht besiedelt und hat kaum Ressourcen. Alle Sekundärmaterialien, die zum Bauen verwendet werden können, sind willkommen. Zudem ist die Deponierung von Bauabfällen gesetzlich verboten. Recycling ist also an der Tagesordnung und die sehr gute Infrastruktur hinsichtlich der Aufbereitungsanlagen für Baurestmassen kaum verwunderlich.

RM: Um das Recycling in weniger rohstoffarmen Ländern zu fördern, müsste es also eine gesetzliche Quote für den Recyclinganteil im Baustoff, wie ihn ­Österreich für Asphalt plant, geben?

Cuperus: Die Verwendung von einem festgelegten Anteil an rezyklierten Gesteinskörnungen ist eine der Maßnahmen, die das Recycling fördern können. Zuallererst kann eine Wiederverwertung durch die gesetzgebenden Instanzen vorangetrieben werden, etwa durch Deponierungsverbote oder hohe Deponiegebühren. Nachfolgend kann durch das sogenannte Green Procurement der prozentuale Anteil rezyklierter Gesteinskörnungen im Baustoff festgeschrieben ­werden. Darüber hinaus ist auch eine verbindliche Vorgabe möglich, wo insbesondere Recyclingzuschlagstoffe – siehe Österreich – zum Einsatz kommen sollen. Beide Optionen müssen berücksichtigt werden.

RM: Gibt es in anderen EU-Staaten ähnliche Verordnungspläne vergleichbar zur Ersatzbaustoffverordnung in Deutschland?

Cuperus: Augenblicklich gibt es in einigen Mitgliedstaaten geeignete Richtlinien oder Vorschriften, um den Einsatz von Sekundärrohstoffen zu verstärken – zum Beispiel in Belgien (Flandern), den Niederlanden und Österreich. Die Erfahrungen aus diesen Mitgliedstaaten müssen genutzt werden, um ähnliche Systeme in anderen Mitgliedstaaten zu etablieren, wo das Recycling von Bauabfällen schlecht ausgeprägt ist oder erst noch entwickelt werden muss.

Das Interview führte Bernd Schlupeck

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