Abholung auf Bestellung

Das Papiertaxi funktioniert nach einem ebenso simplen wie einfallsreichen Prinzip. Bei Anruf wird aus Büros das Altpapier abgeholt – und lukrativ vermarktet.

Zrucklahna – das österreichische Dialektwort für „Zurücklehnen“ wird von den deutschen Nachbarn gerne gebraucht und natürlich auch getan. So hat sich auch der Oberösterreicher Erwin Huber vor rund zwanzig Jahren einmal etwas länger „zruckglahnd“ und die Gedanken kreisen lassen. Herausgekommen ist damals eine Firmenidee, die ebenso simpel wie lukrativ ist: das Papiertaxi. Ein Service, der auf Zuruf Altpapier aus den Büros abholt und gewinnbringend an Papierfabriken weiterverkauft.

Huber ist ein Mann aus der Praxis. Der heute 57-Jährige war viele Jahre Chef und Inhaber einer Reinigungsfirma. Dabei stießen er und seine Mitarbeiter immer wieder auf das gleiche Problem. Die Papiertrennung wollte in den Büros einfach nicht funktionieren – „alles landete in einem Mistkübel“, wie es der Österreicher sagt. Gleichzeitig bekam er mit, wie die Firmen teilweise hohe Müllgebühren für schnell gefüllte Tonnen zahlen mussten, oder aber Tonnen halb leer abgeholt wurden. Außerdem erfuhr Huber, der sich schon seit Jahrzehnten für das Recycling der Abfälle interessiert, dass die zuhauf in Oberösterreich angesiedelten Papierfabriken immer wieder Engpässe bei der Versorgung mit hochwertigem Altpapier beklagen.

„Also hab ich all diese Komponenten zusammengenommen und überlegt, wie man am besten dieses Problem lösen kann“, sagt Huber nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme. Für ihn ist das Hauptproblem die Bequemlichkeit der Angestellten. Schnell landet in Büros das Papier in einem allgemeinen Abfall, wenn der richtige Container nicht in Reichweite steht. Also entwickelte Huber im ersten Schritt eine Reihe von Behältern, die er – je nach Größe des Büros – konzipierte.

Suche nach Logistikpartner

In einem zweiten Schritt machte sich Huber auf die Suche nach einem Logistikpartner. „Ein Großteil der Kosten beim Entsorgen entsteht durch den großen Aufwand an Logistik“, weiß Huber. „Deswegen war es mir wichtig, schon bestehende Strukturen zu finden und diese dann auch kostengünstig zu nutzen.“ Nach ein wenig Suchen wurde der Oberösterreicher fündig: Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) verfügt mit ihrer Tochter Rail Cargo über ein flächendeckendes Netz in dem Alpenstaat und bietet die Mitbenutzung seiner Container an.

Mit dem Wissen, dass sich die Papierfabriken um seine Ware regelrecht reißen werden, fängt Huber an, nach und nach die Kunden von seinem Konzept zu überzeugen. „Ich habe den Firmen und Büros vorgerechnet, dass ihr Abfall im Schnitt zu 80 Prozent aus Altpapier besteht. Wenn sie all das getrennt sammeln, können die Müllkosten um 20 bis 50 Prozent reduziert werden“, erinnert sich Huber. Die ersten Kunden waren schnell überzeugt, Huber lieferte die ersten Sammelbehälter aus.

Nach einer Art Größenraster verteilt Huber die selbst entworfenen Behälter. Zunächst soll an den Schreibtischen der „Tischsammler“ stehen, in den jeder Mitarbeiter das Papier, das an seinem Schreibtisch anfällt, entsorgt. Anschließend soll das Papier in die sogenannte „Bluebox“ geschmissen werden, die idealerweise in den Gängen steht. Ist auch diese voll, soll laut Huber das Papier in seine Faltbehälter geworfen werden, die am besten in den Müllräumen platziert werden sollen.

„Die Faltbehälter fassen 1.300 Liter“, sagt der Firmengründer. Wenn auch diese voll sind, genügt ein Anruf beim Papiertaxi und ein bis zwei Tage später kommt ein Mitarbeiter von Rail Cargo vorbei, holt den vollen Behälter ab und stellt den neuen, leeren auf. „Da die Sammelcontainer faltbar sind, brauchen sie bei der Anlieferung kaum Platz und die Kosten sind dementsprechend niedrig“, erklärt Huber. Da die Abholung nicht zyklisch, sondern nach Bedarf erfolgt, ist außerdem sichergestellt, dass der Platz beim Transport optimal ausgenutzt wird.

Begehrte Ware

Rail Cargo transportiert die großen, gefüllten Papierboxen anschließend nach Wien und lädt sie dort in einem Zentrallager ab, in dem Huber angemietet ist. Die Ware, die dann zu vermarkten ist, ist bei den Papierfabriken heiß begehrt. Das helle Druck- und Schreibpapier ist hochwertig und sortenrein oft schwer zu kriegen. Meist landet das Papier aus den Büros gemeinsam mit anderem Altpapier, wie Pappe, Kartons und Verpackungspapieren, in der Tonne und muss erst mühsam und kostenintensiv wieder aussortiert werden. Das Papier, das für Huber eingesammelt wird, ist überwiegend sortenrein. „Klar landen auch bei dieser Art der Sammlung andere Papierarten wie Zeitungen und Zeitschriften in den Box“, gibt Huber zu. „Aber wir sortieren dann per Sichtung in zwei Qualitäten aus – sortenrein und leicht gemischt.“

Je nach Waren verkauft Huber das Altpapier anschließend lose und gepresst an Altpapierhändler. Vereinzelt überlässt er das Material auch direkt den Papierfabriken. Probleme mit dem Absatz hatte er nach eigener Aussage noch nie – im Gegenteil. „Die Nachfrage ist groß und wird immer größer“, sagt Huber. Die Erlöse seien „sehr hoch“. Über Umsätze mag der Firmeninhaber nicht sprechen, sie liegen aber deutlich im Plus.

Gerade durch die zwar volatil, aber konstanten Erlöse auf der Vermarktungsseite kann Huber großen Firmen seine Dienste kostenlos anbieten. Lediglich eine Miete für die Behälter müssen Firmen mit rund 200 Mitarbeitern bezahlen. Im Kleinkundenbereich, in dem Huber auch Abholungen durch zwei unter Vertrag stehende Botendienste organisiert, verlangt er zwischen 6 bis 10 Euro pro Abholung. Ein Blick auf die Kundenliste verrät: Sein Konzept kommt in Österreich gut an. Über 300 Großkunden kann Huber aufzählen. Darunter Firmen wie IBM, Telekom-Austria, Canon oder die Deutsche Bank. Im Kleinkundenbereich kommt nochmal die gleiche Kundenmenge dazu. Rund 800 Tonnen pro Jahr schlägt er um. „Das scheint auf den ersten Blick nicht viel“, gibt Huber zu. „Aber wir befinden uns im Bürobereich. Da fällt Papier nicht in riesigen Mengen an.“

Noch kein Sprung über die Grenze

Da Huber bei der Logistik auf seine Partner setzt, hat seine Firma lediglich drei Mitarbeiter, die das gesamte Netzwerk abdecken und überwachen. Vor knapp zehn Jahren übertrug Huber seine Idee als Exklusivlizenz an den Reinigungsriesen ISS Österreich. Nach einigen Querelen mit dem vermeintlichen Partner wurde die Lizenz wieder zurückgebildet. Der Firmengründer ist seit 2008 nun in Österreich alleiniger Anbieter des Papiertaxi-Services. Huber, der ursprünglich KFZ-Mechaniker gelernt und seine Reinigungsfirma längst verkauft hat, glaubt, dass sein Modell auch in Deutschland gut ankommen könnte. Bisher hat er den Sprung über die Grenze noch nicht gewagt. In die Schweiz liefert Huber aber inzwischen immerhin seine Behälter an das Unternehmen Hilti. Laufend ist er auf der Suche nach neuen Partnern und sich dabei sicher: „Auch der deutsche Markt wartet auf das Papiertaxi.“

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