„Es kommt auf den Einzelfall an“

Für Bioabfall gibt es keine Patentlösung. Je nach Finanzlage und Anlagenbestand entscheiden die Kommunen, wieviel Nutzen man aus dem Bioabfall herausholt und im Zweifelsfall auch, dass er gar nicht getrennt gesammelt wird.

Von Gerhard Wirsig

Hilfestellung gibt eine Studie, die für elf schleswig-holsteinische Kompostierungsanlagen untersucht, ob eine vorgeschaltete Vergärung sinnvoll ist. Das Fazit: Unter Klimaschutzaspekten wird die Vorschaltvergärung empfohlen, kostet aber im Schnitt 20 Euro pro Tonne mehr als die reine Kompostierung. Die Studie wurde von der u.e.c. Berlin GmbH erstellt und ist beim schleswig-holsteinischen Umweltministerium erhältlich.

Eine Umfrage unter Vergärungsanlagenbauern auf dem 22. Kasseler Abfall- und Bioenergieforum im April ergab, dass man die u.e.c.-Studie mit Skepsis sieht. Man möchte keine pauschale Einstufung der Vorschaltvergärung als teurere Variante. „Es kommt auf den Einzelfall an“, sagt Karlgünter Eggersmann, Geschäftsführer von Eggersmann Anlagenbau GmbH Co. KG. „Wenn die Kompostierungsanlage vorhanden ist und Reinvestitionen ohnehin notwendig sind, wird die Vorschaltvergärung ganz schnell wirtschaftlich.“

Für die Marburger Entsorgungs-GmbH ergänzt Prokurist Sven Bratek: „Bei reiner Biogasverstromung würde die Vorschaltvergärung teurer, mit dem KWK-Wärmenutzungsbonus rechnet es sich allerdings.“ In Marburg läuft derzeit eine Vorschaltanlage von Eggersmann im Probebetrieb. Die existierende Kompostierung basiert auf Gore-Mieten. Neben der Wärmenutzung aus der Biogasverstromung ist die Kofermentation von Altbrot mit hoher Biogasausbeute ein Pluspunkt an dem Standort.

Ein süddeutscher Anlagenbauer bestätigt das Argument der Wärmenutzung. Zusätzlich sänken die Emissionen mit der Vergärung und die Kompostierung würde durch Mengenreduktion massiv entlastet. Die Menge der nachzukompostierenden Gärreste sei erheblich geringer als der Bioabfall-Input.

Neben der Kombitechnik gibt es auch radikale Lösungen. „Wir haben gar keine Biotonne“, hört man von Kommunalfachleuten aus Ostdeutschland. Andernorts wird der Bioabfall dem Restmüll zugeschlagen. In Lübeck wird dieser Schritt diskutiert, um die Vergärungs-MBA (Mechanisch-Biologische Abfallbehandlungsanlage mit Vergärungsstufe) besser auszulasten. Im saarländischen Lockweiler wird die Biomüllvergärung aus Kostengründen komplett geschlossen. Es handelt sich um eine Nassvergärung. Die Schließung steht auch für die Bioabfallvergärung in Schwabach bei Nürnberg an. 1996 war sie ein Pionierprojekt. Am Rande der Kasseler Tagung klingt das so: „Sie ist einfach zu alt.“

Einen Zwischenweg ging das Pilotprojekt „Nasse & Trockene Tonne Kassel“ der Stadtreiniger Kassel. In der Nassen Tonne wurde bisher getrennt gesammelter Bioabfall zusammen mit nassem Restmüll erfasst mit der Option einer nassen oder halbtrockenen Vergärung. Der Gärrest kann einer Müllverbrennung zugeführt werden oder einer Gewinnung von Ersatzbrennstoff. Obwohl das Projekt viel kommunales Interesse gefunden hat, zog Betriebsleiter Gerhard Halm auch Kritik auf sich. Professor Klaus Fricke von der Technischen Universität Braunschweig bemängelte, dass mit dem Bioabfall in der Nassen Tonne die Organik und damit die Option auf eine Düngewirkung verloren gehe. Besser sei der Bioabfall in der Kompostierung aufgehoben.

Für die Erhaltung des Düngepotenzials im Bioabfall plädiert auch Andreas Puchelt, Geschäftsführer der WasteTec GmbH. Die schlechteste aller Lösungen sei es, den Bioabfall durch eine klassische Endrotte-MBA zu fahren. Dort werde lediglich ein Deponat erzeugt und die Organik nicht genutzt. Auch Bioabfall in einer anaeroben Mischmüll-MBA sei nicht sehr effizient. Sinnvoll sei die gezielte Aufbereitung der Organik und die Behandlung durch Kompostierung optional mit vorgeschalteteter Vergärung. Letztere Option habe den Vorteil der Doppelnutzung durch Erzeugung von Ackerdünger und Biogas.

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