Lärmschutz in Leichtbauweise

Die Wissenschaftler der TU Chemnitz, Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (SLK), entwickelten unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Lothar Kroll in Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmen Betonwerk Schuster GmbH, Mülsener Recycling- und Handelsgesellschaft sowie der FASA AG eine optimale Werkstoffkombination in Leichtbauweise durch Integration eines modifizierten Gummigranulates in Beton.

Von Dr.-Ing. Sandra Gelbrich

Die Verkehrsdichte auf Straßen und Schienenwegen nimmt stetig zu. Lärm ist eine Folge der extremen Mobilität und wirkt sich negativ auf Mensch und Umwelt aus. Schallschutz und der Einsatz von Lärmschutzwänden sind heute wichtiger denn je.
Lärmschutzsysteme entlang von Straßen und Eisenbahnlinien müssen komplexen Ansprüchen genügen und klar definierte, normengerechte Anforderungen erfüllen. Neben den akustischen, mechanischen und materialtechnischen Anforderungen haben wirtschaftliche und ökologische Aspekte einen hohen Stellenwert. Lärmschutzsysteme werden überwiegend aus Aluminium, Beton, Holz, Glas sowie transparentem Kunststoff hergestellt. Am häufigsten wurde Beton (47,3 Prozent der Gesamtlärmschutzwände im Jahr 2006) verwendet.

Lärmschutzwände aus Beton bestehen in der Regel aus einem Kern aus Tragbeton (Stahlbeton) und aus einseitig bzw. beidseitig angeordneten, absorbierenden Vorsatzschalen, zum Beispiel Leichtbeton. Diese Schallabsorptionsschichten sind als Einkornbeton (Styropor- oder Holzfaserbeton) oder Mehrkornbeton (Porenbeton) ausgeführt. Die Beton­oberfläche lässt sich glatt oder strukturiert bzw. profiliert in Betongrau oder mit Farbpigmenten gestalten.

Schallschutz an Autobahnen wird immer wichtiger
Foto: Bilderbox

Die Wissenschaftler der TU Chemnitz, Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (SLK), entwickelten unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Lothar Kroll in Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmen Betonwerk Schuster GmbH, Mülsener Recycling- und Handelsgesellschaft sowie der FASA AG eine optimale Werkstoffkombination in Leichtbauweise durch Integration eines modifizierten Gummigranulates in Beton.

Das neue Lärmschutzsystem besteht aus einer Tragschicht aus Normaltbeton mit Stahlbewehrung und einer neuen Vorsatzschale (Absorber) aus modifiziertem Leichtbeton, der sich aus Zement, Gesteinskörnungen sowie aufbereiteten, mi­-
neralisch beschichteten Recyclinggummigranulaten aus Altreifen und speziellen Zusätzen zusammensetzt. Das Lärmschutzsystem wurde praxisnah geprüft und zertifiziert. Die Eignung als Lärmschutzwand wurde durch Messungen an der TU Chemnitz sowie in der SLG Prüf- und Zertifizierungs GmbH in Hartmannsdorf nachgewiesen. Die von den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Lärmschutzwände“ (ZTV-Lsw 06) geforderten Werte wurden deutlich übertroffen. Der Schallabsorptionsgrad erreichte Werte von bis zu 11 Dezibel.

Dies erlaubt eine Klassifizierung als „hochabsorbierend“. Durch das Einbetten von neuen, mineralisch beschichteten Gummigranulaten in die Betonmatrix ließen sich die akustischen und mechanischen Kennwerte sowie die materialtechnischen Eigenschaften bezüglich Witterungsbeständigkeit und Dauerhaftigkeit verbessern.

Derzeit werden recycelte Altreifengranulate als Einstreumaterial in Kunstrasensysteme oder in gebundener Form als elastische Bahnen im Sportstättenbau verwendet. Dabei wirken sich die elastischen Eigenschaften der Granulate positiv aus. Basierend auf den guten elastischen Eigenschaften der Gummirecyclinggranulate entstand die Idee zu deren Einbringung in den Beton. Ziel dieser Integration war es, die Schallabsorption zu verbessern, die Elastizität und Dämpfung zu steigern, die Rissempfindlichkeit zu verringern und die Frost-Taumittel-Beständigkeit zu erhöhen. Zudem sollte der Haftverbund zwischen Zementstein und Gummigranulat optimal eingestellt werden, so dass die Druckfestigkeit des Betons durch die Einbringung des Gummirecyclinggranulates nicht beeinträchtigt wird. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Rückführung von Abfallprodukten in den Stoffkreislauf.

Zur Verbesserung der Haftung zwischen der Betonmatrix (Zementstein) und den Gummirecyclinggranulaten wurde von der Professur SLK eine neue mehrkomponentige mineralische Beschichtung entwickelt, die vornehmlich aus Polyurethanharz und Gesteinsmehl besteht. Diese wird durch verbundgerechte Vermischung im Zwangsmischer gleichmäßig an der Oberfläche der Gummigranulatpartikel appliziert.

Diese neue Beschichtung zeichnet sich durch eine gute Haftung am Gummigranulat und die hohe Flexibilität zur Erhaltung und Nutzung der Elastizität und Dämpfung der eingebetteten Gummipartikel im Beton aus. Durch die Zugabe des mineralisch beschichteten Gummigranulates in mineralische Matrices entsteht ein gezielt modifizierter Beton mit optimierten Materialeigenschaften.

Damit ist das entwickelte Verbundsystem als Absorberschicht eines Lärmschutzsystems bestens geeignet. Das neue hoch absorbierende Lärmschutzsystem mit optimierten baustofflichen, bauphysikalischen und bautechnischen Eigenschaften wurde großserientechnisch umgesetzt und steht nun dem Markt zur Verfügung.

Referenzobjekte

In Zusammenarbeit der Forschungspartner mit dem Straßenbauamt Döbeln entstanden Referenzfelder mit jeweils drei Lärmschutzplatten einer neuen Lärmschutzwand im Rahmen des Ausbaus der Bundesstraße B87 (Leipzig-Torgau-Frankfurt, Oder), westlich des Ortsausganges Torgau. Dort werden materialtechnische, statische und schalltechnische Prüfungen zur Bestimmung der Langzeiteigenschaften durchgeführt.

An Lärmschutzwände der neuen Generation werden hohe bautechnische, mechanische und akustische Anforderungen gestellt. Durch den an der TU Chemnitz entwickelten Gummi-Beton-Verbundbaustoff lassen sich diese Anforderungen optimal erfüllen. Für die Schallabsorption wird der „Schallschluck-Effekt“ genutzt, der bei Verbunden von weichen und harten Komponenten entsteht.

Das neue Verbundsystem zeichnet sich aus durch: hohen Schallschutz, ausge­zeichnete Frost-Taumittel- und UV-Beständigkeit, geringe Kriech- und Schwindneigung, geringe Riss­empfindlichkeit, erhöhte Elastizität und Dämpfung, gute Steinwurfresistenz, hohe Haftverbund-, Druck- und Verschleißfestigkeit, hoher Schallschutz sowie kostengünstige Herstellung. Ergebnisse aus Labor- und Feldversuchen bestätigen unter ökonomischen und ökologischen Aspekten Verbundkonzept und Verfahren zur Fertigung.

Die Forschungsarbeiten zum neuen Verbundbaustoff wurden im Rahmen eines FuE-Projektes, gefördert durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF), in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Chemnitz, der Betonwerk Schuster GmbH aus Cunewalde, der FASA AG aus Chemnitz und der Mülsener Recyc­ling und Handelsgesellschaft mbH aus Mülsen durchgeführt.

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