Frische Kredite

Das deutsche Hausbank-Prinzip ist in guten Zeiten ein Segen. Mittelständische Unternehmen werden über Jahrzehnte, oft über Generationen hinweg vom selben Institut begleitet. Es entstehen Vertrauensverhältnisse und im Idealfall eine tiefe Einsicht der Ansprechpartner in das Geschäftsfeld der Firma. Doch derzeit ist der Segen für viele Recyclingunternehmen zum Fluch geworden.

Von Cornelius Heyer

Viele Hausbanken sind von der Finanzkrise in eine Schockstarre versetzt worden – und lassen die Firmen am langen Arm verhungern. Kredite werden nur noch zögerlich vergeben, das Vertrauen in die Zukunft der Recyclingbranche ist bei den Bankbetreuern geschwunden. Dabei kann sich die Kreditklemme auch in unzumutbaren Forderungen manifestieren, wenn etwa der Zinssatz durch die Decke schießt oder die Bank aberwitzige Forderungen nach Sicherheiten erhebt.

Ein Branchenvertreter, der seinen Namen nicht öffentlich machen will, berichtet, dass seine Eltern ihr Häuschen verpfänden sollten. Es ging um einen Betriebsmittelkredit von gerade einmal 200.000 Euro. Diese Bedingung stellte die Hausbank, die das Unternehmen seit vielen Jahren kennt
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Dem Impuls, in so einem Fall zu einer anderen Bank zu wechseln, sollte man nach Meinung von Finanzexperten deswegen aber nicht sofort folgen. „Auch in der Krise kann man noch einen Hausbank-Vorteil unterstellen“, sagt Helmut Scheel, Geschäftsführer der Hamburger Unternehmensberatung CCM. Andere Institute würden Kreditanträge fremder Unternehmen eventuell sofort dem Aktenvernichter zuführen. Allenfalls sollte man vorsichtig seine Fühler ausstrecken.

Umso wichtiger ist es, in den Verhandlungen mit der eigenen Bank seine Chancen zu erhöhen. Hierbei ist es essenziell, selbst gut informiert zu sein. Denn man darf nicht davon ausgehen, dass der Bankberater selbst an alle Möglichkeiten denkt – auch wenn das zur klassischen Kundenbetreuung ja eigentlich gehört. „Bankmitarbeiter sind alle auch nur Menschen“, befindet Scheel. Wer Vorarbeit geleistet hat und schlüssige Argumente kennt, tut sich sehr viel leichter, an Betriebs- und Investitionsmittel zu kommen.

Immerhin hat der Staat mit seinen beiden Konjunkturprogrammen viel Geld auf den Weg zu den mittelständischen Unternehmen gebracht. Nun muss es nur noch ankommen – und hier greift wieder das Hausbank-Prinzip. Insgesamt 40 Milliarden Euro sollen bis Ende 2010 über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verteilt werden, beantragt werden die Kredite aber über das Geldinstitut um die Ecke. Das Prinzip ist eigentlich simpel: Die Hausbank stuft die Bonität des Antragstellers ein und vermittelt daraufhin den KfW-Kredit von maximal 50 Millionen Euro. Die Staatsbank übernimmt auch große Teile des Risikos für den Fall, dass der Betrieb Pleite macht: Bei normalen Betriebsmittelkrediten 50 Prozent, bei Investitionen sogar 90 Prozent. Speziell letztere sind also momentan attraktiv zu finanzieren – wenn denn die Hausbank den Antrag stellt.

Der Zinssatz richtet sich nach dem Rating und der Höhe der Risikoübernahme durch die KfW. Für kleine und mittelständische Unternehmen bis 500 Millionen Euro Jahresumsatz gibt es Geld schon ab 4,47 Prozent effektivem Jahreszins. Stuft die Hausbank die Bonität des Unternehmens nur als „ausreichend“ ein, liegt man immerhin noch bei 5,98 Prozent – bei einer Laufzeit zwischen 3 und 15 Jahren mit jeweils dreijähriger Zinsbindung.

Effekte der Finanzkrise zählen nicht

Recyclingunternehmen unter hohem Druck können von einem zusätzlichen Beschluss der Bundesregierung profitieren: An die Kredite kommen auch „Unternehmen in Schwierigkeiten“. Welche Firmen das sind, ist in einer EU-Leitlinie definiert: Wer mit eigenen oder fremden Mitteln die Verluste nicht mehr eindämmen kann, die das Unternehmen auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher in den wirtschaftlichen Untergang treiben werden, gehört dazu. Normalerweise gibt es für diese Unternehmen keine KfW-Kredite mehr – können sie allerdings nachweisen, dass die Schwierigkeiten nach dem 1. Juli 2008 eingetreten sind, sind sie neuerdings doch berechtigt. So sollen die Auswirkungen der Finanzkrise ausgeklammert werden.

Die Hausbank soll dies bei der Bonitätsprüfung berücksichtigen – aber wie können Unternehmen sie dazu bringen? „Generell sind die Kredite nicht dazu da, unternehmerische Fehler auszugleichen“, stellt KfW-Sprecher Wolfram Schweickhardt klar.

Deshalb gelte auch in Zeiten des Sonderprogramms: Ein Antragsteller muss überzeugend seine Pläne darstellen und gegebenenfalls die Gründe für die Schwierigkeiten seines Unternehmens erläutern. In jedem Fall sollte man aber gut gerüstet ins Gespräch mit der Hausbank gehen. „Es ist generell sinnvoll, zuerst das Gespräch mit den Beratern der KfW zu suchen“, erklärt er. Auch bei der Industrie- und Handelskammer gibt es akkreditierte KfW-Kreditberater. Von den 40 Milliarden Euro sind übrigens erst 1,2 Milliarden abgerufen.

Will die Hausbank einen Kredit wegen mangelnder Sicherheiten nicht vergeben, lohnt sich für die Mittelständler ein Besuch auf der Internetseite der Bürgschaftsbanken (www.vdb-info.de). Eines dieser öffentlichen Institute gibt es in jedem Bundesland. Sie bieten Unternehmen, die über keine Sicherheiten verfügen oder ihrer Hausbank schon alles verpfändet haben, Bürgschaften an. Hier können gerade Recyclingunternehmen auf Hilfe hoffen – denn die Bürgschaftsbanken prüfen die Anträge nicht wie eine normale Bank. „Bei uns müssen keine Sicherheiten existieren, wir müssen auch keine Kredite mit Eigenkapital unterlegen wie eine Geschäftsbank“, erklärt Stephan Jansen, Sprecher der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg. „Wir beurteilen ausschließlich die Zukunftserwartungen des Unternehmens.“ Und die sind mittelfristig für die Abfallwirtschaft ausgezeichnet.

Mit einer Bürgschaft dieser Institute verringert sich das Ausfallrisiko der Bank erheblich – doch oft muss man seinen Berater explizit auffordern, die Bürgschaftsbanken in die Kreditvergabe einzubeziehen. „Es wäre deshalb schön, wenn mehr Unternehmer von dieser Möglichkeit wüssten und Gebrauch machten“, sagt Jansen. Für einen Kredit muss das Unternehmen dann zunächst im Rahmen seiner Möglichkeiten Sicherheiten einbringen. Die Bürgschaftsbank gibt dann, so sie die Zukunft des Unternehmens positiv sieht, eine Garantie über 80 Prozent des noch unbesicherten Kreditvolumens ab. Noch im März soll die Grenze auf 90 Prozent heraufgesetzt werden – der Hausbank bleibt damit nur noch ein geringes Restrisiko.

Normalerweise sollte die kreditgebende Bank sich an die Bürgschaftsbank wenden. Tut sie das nicht, sollte der Unternehmer direkt bei dem öffentlichen Institut vorstellig werden. In vielen Ländern gibt es auch das Programm „Bürgschaft ohne Bank“ (BOB), bei dem die Bürgschaftsbank pauschal ein Garantieversprechen abgibt, mit dem das Unternehmen dann die Geschäftsbanken abklappern kann.

Für den umtriebigen Unternehmer gibt es also noch Wege aus der Kreditklemme, wenn seine Firma im Grunde gesund ist. Wichtig ist, den Bankberater mit konkreten Vorstellungen zu konfrontieren. Möglich ist übrigens auch die Kombination aus KfW-Kredit und Bürgschaft. Wenn beide vorher schon abgeklärt sind, dürfte der Betreuer es schwer haben, den Kredit noch zu verhindern.

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