Beton als CO2-Fänger – schon im Werk

Klimagas wieder auf – ein Prozess, der Jahrzehnte dauert und kaum kontrollierbar ist.
Vorbereitung für Begasung: Damit das Kohlendioxid mit Recycling-Granulat reagiert, muss es nach der Anlieferung vom flüssigen in den gasförmigen Zustand gebracht werden. Copyright: Neustark AG

Lässt er sich für den Klimaschutz beschleunigen? Empa-Forscher haben in einem Projekt mit zahlreichen Partnern an einer Lösung mitgewirkt, die schon im Betonwerk stattfindet. Erste Resultate sind ermutigend.

Selbst die größten Sünder können sich bessern: Diese Hoffnung hegt die Fachwelt auch beim «Klimasünder Beton». 6 bis 8 Prozent der menschengemachten CO₂-Emissionen weltweit gehen auf das Konto von Zement, dem unerlässlichen Bindemittel für den harten und vielseitigen Baustoff – doch zugleich ist er in der Lage, das Klimagas, das bei der Zementproduktion ausgestoßen wurde, nach der Herstellung wieder chemisch zu binden; zumindest teilweise: zwischen 11 und 30 Prozent, je nach Rezeptur und Bedingungen.

«Karbonatisierung» nennt sich dieser Prozess, bei dem aus Calciumhydroxid im Beton mit CO₂ Kalkstein entsteht – eine gemächliche Reaktion, die Jahre andauert und deren Tempo von zahlreichen Faktoren abhängt. Seit Langem denken Fachleute darüber nach, sie zu nutzen, um die Klimabilanz von Beton zu verbessern – und nun erproben Experten der Empa im Projekt «DemoUpCARMA» mit Partnern unter Federführung der ETH Zürich (siehe Infobox), ob und wie sich der Prozess in einem realen Betonwerk nutzen und vor allem beschleunigen lässt.

Aufwändige Analysen in den Empa-Laboren

Konkret: in einer eigens installierten Anlage der Firma Kästli Bau AG in Rubigen im Kanton Bern – und mit Recyclingmaterial aus rückgebauten Betonkonstruktionen. Das Kohlendioxid, mit dem dieses Material «gefüttert» wird, stammt aus der nahen Kläranlage und wird in verflüssigtem Zustand angeliefert. Im Werk wird es dann in einem speziellen Silo gespeichert, um von dort das Recycling-Granulat mit einem Verfahren der Berner Firma Neustark AG kontinuierlich zu «fluten» – also reinem CO₂-Gas auszusetzen und die Aufnahme präzise zu messen. Das Expertenteam erforschte die Prozesse, die im Detail bei der CO₂-Aufnahme des Recycling-Granulates ablaufen. Zudem wurde untersucht, wie sich sogenanntes «Recyclingwasser» aus Wasser, Zement und Sand, das etwa bei der Reinigung von Betonfahrzeugen und Mischanlagen anfällt, nutzen lässt, um Kohlendioxid zu binden.

Recycling-Granulat-Partikel (Durchschnitt etwa 1,5 mm) nach der Karbonatisierung: Hauptprodukte sind CaCO3 (hellgrün) und C-S-H (rosa), das bei der Herstellung von Recyclingbeton mit neu gebildeten Zementphasen reagiert. Copyright: Empa

Wie gut und effizient das Recycling-Granulat unter welchen Bedingungen CO₂ aufnimmt, haben Andreas Leemann und Frank Winnefeld von der Empa-Abteilung «Concrete & Asphalt» mit zahlreichen Tests erkundet – mit überraschenden Resultaten. Proben des behandelten Materials zeigten unter dem Mikroskop deutliche Veränderungen: Kleinere Partikel hatten an der Oberfläche Flecken aus dunklen und hellen Anteilen, an denen sich der ursprüngliche Zementstein verändert hatte.

Analysen mit dem Rasterelektronen-Mikroskop zeigten, dass die hellen Anteile Calciumcarbonat sind, während die dunklen Phasen hauptsächlich aus Calcium-Silicat-Hydrat – kurz: C-S-H – bestehen, dem Hauptprodukt der Zementhydratation, das Beton seine Festigkeit verleiht. Diesem C-S-H wurde durch die Karbonatisierung ein Teil des Calciums entzogen: Es ist damit kalkärmer und kann wiederum mit neu gebildeten Zementverbindungen im Recyclingbeton reagieren – mit der Folge, dass dessen Druckfestigkeit steigt.

Praxisversuche mit verschiedenen, in der Schweiz häufig verbauten Betontypen bestätigten diese Einsichten. Die Recycling-Produkte mit karbonatisierten Beton-Granulaten erreichten höhere Festigkeiten als Vergleichsbetone mit unbehandeltem Recyclingmaterial. «Eine reaktive Phase also, die neu im Granulat entsteht und im Recyclingbeton eine höhere Festigkeit erzeugt», sagt Leemann, «das hat uns schon überrascht.»

Weiter zeigten die Analysen, dass der Faktor Feuchtigkeit bei der CO₂-Anreicherung eine wichtige Rolle spielt: Trockenere Recycling-Mischungen zeigten eine deutlich schnellere Aufnahme des Klimagases als Material, das allzu feucht ist. Und weil die Außenlagerung von Recycling-Granulaten in der Schweiz eine Trocknung nicht gerade fördert, stellt sich laut den Empa-Fachleuten die Frage, ob dieser Prozess allenfalls technisch optimiert werden sollte.

Deutliche Verbesserung in Reichweite

Die positiven Resultate zeigen, dass das Verfahren Betone auf zweifache Weise klimafreundlicher machen kann. Zum einen durch die Aufnahme von CO₂, um die Atmosphäre zu «entlasten»: Sie erreicht bei den neuartigen Baustoffen bis zu 10 Prozent der Emissionen, die bei der Herstellung des Zements für den ursprünglichen Beton in die Atmosphäre gelangten. Zum Zweiten mit der Chance, dank der höheren Festigkeit den Zementgehalt in Recyclingbetonen zu mindern – um 5 bis 7 Prozent. Unter dem Strich liegt das Potenzial der CO₂-Einsparung laut den Empa-Experten damit bei gut 15 Prozent.

Und: Die CO₂-Behandlung des «Recyclingwassers» zeigte weiteres Potenzial. Proben konnten in Analysen eine beachtliche Menge des Gases binden: etwa 120 Gramm auf ein Kilogramm getrockneten Materials. Der Einsatz dieses Materials führte ebenfalls zu einem, wenn auch geringen, Anstieg der Festigkeit von Betonen, denen sie beigemischt wurde.

Wie weit sich diese Resultate in der Praxis umsetzen lassen, ist freilich noch offen. Zum Beispiel wegen der Frage, wie gut und mit welchem technischen sowie finanziellen Aufwand sich das Verfahren in Betonwerken implementieren lässt. Und wie sich die Karbonatisierung von Recycling-Granulaten auf lange Sicht in unterschiedlichen Betonen auswirkt, also über die gesamte «Einsatzdauer» von mehreren Jahrzehnten.

Großes Potenzial über gesamte Lebensdauer

Eine erste Einschätzung dazu liefern sogenannte «Lebenszyklus-Analysen» von Romain Sacchi und Christian Bauer von der «Technology Assessment Group» am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen, gemeinsam mit Empa-Fachmann Andreas Leemann. Berücksichtigt man sämtliche Einflüsse auf die CO₂-Emission von der Herstellung, Nutzung bis hin zur Entsorgung von «klassischen» Betonen sowie Varianten mit unbehandeltem und mit CO₂-angereichertem Recycling-Granulat, so zeigt sich: Das karbonatisierte Material kann den Treibhausgas-Effekt netto um rund 13 Prozent reduzieren – im Vergleich zu Beton mit herkömmlichem Zement und ohne Recyclingmaterial. Bei Beton mit Recyclingmaterial liegt der Effekt noch bei immerhin 9 Prozent; ein beachtliches Potenzial also.

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