Die Verursacher zur Kasse bitten

Im Auftrag der Changing Markets Foundation und des Europäischen Umweltbüros hat Eunomia untersucht, wie eine Kreislaufwirtschaft für Textilien vorangebracht werden kann. Die wesentliche Erkenntnis: Es braucht die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien.
Foto: Bruno Germany, Gerd Altmann; beide pixabay

Der Textilverbrauch in Europa hat erhebliche Umweltauswirkungen. 2020 habe der Verbrauch bei 15 Kilogramm pro Person gelegen. Daher hat die Europäische Kommission Textilien auch als eine Schlüsselbranche in ihrem Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft genannt. In den kommenden Wochen soll es eine Textilstrategie geben. Diese müsse, so Eunomia, sehr ambitioniert sein, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Aus Sicht von Eunomia müsse die erweiterte Herstellerverantwortung dabei eine wesentliche Komponente der Strategie sein. Da in der Regel die Kosten für die Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung an die Verbraucher*innen weitergegeben würden, würden diese je nach Verbrauch auch mehr bezahlen müssen. Umgekehrt sei es heute vielmehr so, dass das Konsumverhalten subventioniert werde, da die Umweltkosten nicht mit in die Preise einfließen würden. Durch die erweiterte Herstellerverantwortung könne auch das Design der Textilien verbessert werden. Dies setze allerdings voraus, dass die Gebühren entsprechend hoch seien.

Kernziele adressieren

Nach Ansicht der Autor*innen müssen Ziele für den Textilsektor so formuliert werden, dass sie die Kernprobleme der Branche adressieren. Genannt werden drei wesentliche Ziele: erstens die Reduzierung der Umweltauswirkungen und eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs innerhalb der planetaren Grenzen. Zweitens müsse sichergestellt werden, dass die Branche sozial gerecht und verantwortlich agiert. Und drittens müsse der Tierschutz eingehalten werden.

Als wesentlicher Lösungsansatz wird eine erweiterte Herstellerverantwortung gesehen. Dabei dürfe es aber nicht nur darum gehen, die Kosten zu den Herstellern zu verlagern. Die erweiterte Herstellerverantwortung müsse so gestaltet werden, dass sie gemeinsam mit ergänzenden Maßnahmen zu einer Kreislaufwirtschaft für Textilien führt.

Es wird empfohlen, dass alle Mitgliedstaaten die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien einführen. Zwar werde es aufgrund der unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Staaten auch weiterhin Unterschiede im Detail beim Umgang mit Textilien geben, bestimmte Schlüsselelemente müssten aber harmonisiert werden. Damit werde Klarheit für die Hersteller geschaffen und die Effektivität von Gebühren im Hinblick auf die Gestaltung von Produkten erhöht.

Als wesentlich nennt die Studie die Definition von „Hersteller“. Derzeit gebe es die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien nur in Frankreich. In Schweden und den Niederlanden werde die Einführung derzeit vorbereitet. Da in den kommenden Jahren mit weiteren Systemen zu rechnen sei, müsse die Europäische Kommission festlegen, wer als Hersteller verpflichtet wird. Ein Ansatz wäre, die Händler in die Verantwortung zu nehmen, da sie die größte Verantwortung für den derzeit hohen Verbrauch an Textilien hätten. Darunter verstehen die Autor*innen sowohl die Hersteller, die ihre Produkte über den stationären und Online-Handel vertreiben, als auch alle anderen Händler. In diesem Kontext müsse vor allem die Rolle von Online-Plattformen geprüft werden.

Berücksichtige man aber das Potenzial von modulierten Gebühren für die Produktgestaltung, wären die Hersteller der richtige Ansatzpunkt. Allerdings müsse man aus praktischen Gründen überlegen, mit wie vielen Teilnehmern bei der erweiterten Herstellerverantwortung zu rechnen wäre. Es sei wesentlich effizienter, wenn das System wenige große Hersteller umfasse als wenn es sich um eine große Anzahl kleiner Hersteller handele. Um den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, müsse daher vermutlich ein Kompromiss zwischen den Ansätzen gefunden werden. Große Hersteller, die eine gewisse Menge an Produkten auf den Markt bringen, sollten direkt verantwortlich sein für alle Produkte, die sie auf den Markt bringen. Dies würde auch den Verkauf über Händler umfassen. Bei kleineren Herstellern sollte die Verantwortung beim Handel liegen. Aufgrund der zahlreichen unterschiedlichen Vertriebswege für Textilien müsse diese Problematik noch weiter untersucht werden. Es sei daher möglicherweise auch sinnvoll, mit einer einfacheren Lösung, etwa der Verpflichtung der größten Hersteller, zu beginnen und diese sukzessive zu erweitern.

Möglichst umfassend

Die erweiterte Herstellerverantwortung sollte möglichst viele Produkte umfassen, um sicherzustellen, dass das Verursacherprinzip möglichst vollständig umgesetzt wird. Auch hier gelte aber, dass für eine möglichst schnelle Umsetzung ein kleinerer Geltungsbereich denkbar sei. Gebühren sollten fällig werden, wenn ein Produkt zum ersten Mal auf den Markt gebracht wird. Für weitere Zyklen, etwa Secondhand-Verkauf, sollten die Gebühren entfallen, da die Kosten für die Behandlung am Lebensende ja bereits bezahlt wurden und so eine Wiederverwendung gefördert werden kann. Dabei müsse allerdings beachtet werden, dass die Kosten für die Entsorgung in einem anderen Land anfallen könnten als in dem Land, in dem das Produkt ursprünglich verkauft wurde. Daher sollten die entsprechenden Gebühren mit den Kleidungsstücken weitergegeben werden. Von entsprechenden Gebühren für gebrauchte Textilien rät die Studie ab. Damit würde der Anreiz für die Wiederverwendung abnehmen, zudem hätten diese Gebühren keinen Einfluss mehr auf die Produktgestaltung. Derzeit gebe es kaum Zahlen darüber, wie viele Kleidungsstücke für die Wiederverwendung in andere Mitgliedstaaten verkauft werden. Wenn entsprechende Zahlen vorliegen, könnten Transferleistungen erfolgen.

Die Studie empfiehlt eine Registrierungs- und Informationspflicht für die zu verpflichtenden Unternehmen. Allerdings sollte die Unternehmen auch die Möglichkeit erhalten, direkt gebrauchte Textilien und Textilabfälle zurückzunehmen. Damit würden sie zwar nicht von einer Systembeteiligung entbunden, könnten aber einen Gebührennachlass erhalten. Die zu zahlenden Gebühren sollten möglichst genau den tatsächlichen Kosten entsprechen, die am Lebensende entstehen.

Bei der Modulierung von Gebühren müsse zudem sichergestellt werden, dass sie im Verhältnis zum Verkaufspreis ausreichend hoch sind. Auch eine Harmonisierung in allen Mitgliedstaaten sei notwendig. Dabei sollte der Fokus auf einem und nicht auf vielen Kriterien liegen, die möglicherweise widersprüchlich sein können. Auch der Rezyklatanteil könne dabei eine Rolle spielen. Allerdings sei es derzeit nicht möglich, ein Kriterium auszuwählen, das allen anderen Kriterien vorzuziehen sei.

Umweltauswirkungen verringern

Aus Sicht der Autor*innen kann die erweiterte Herstellerverantwortung im Wesentlichen zum ersten genannten Ziel beitragen, der Verringerung der Umweltauswirkungen durch die Textilindustrie. Da sich die erweiterte Herstellerverantwortung im Wesentlichen auf das Lebensende von Produkten bezieht, sind die Auswirkungen auf die anderen Phasen im Lebenszyklus eher gering. Ob sich die erweiterte Herstellerverantwortung auf die anderen beiden Ziele auswirke, sei unklar.

Ergänzende Maßnahmen

Die Studie nennt eine Reihe von Maßnahmen, mit denen die erweiterte Herstellerverantwortung ergänzt werden kann – vor allem in den Bereichen, in denen sie wenig Wirkung entfalten kann. Einige Maßnahmen würden die erweiterte Herstellerverantwortung direkt ergänzen und sollten daher gemeinsam eingeführt werden. Dazu gehöre das Verbot gefährlicher Substanzen, was unter anderem das Recycling erleichtern würde. Gleiches gelte für Mindestanforderungen an die Haltbarkeit, Zerlegbarkeit und Reparierbarkeit. Zudem sollten Standards für den Export von Alttextilien festgelegt werden.

Eine weitere Möglichkeit sei die Einführung von Quoten für ein Closed-Loop-Recycling. Dies sei ein deutliches Signal für die Hersteller, in ein Faser-zu-Faser-Recycling zu investieren und den Rezyklatanteil in neuen Kleidungsstücken zu erhöhen. Hier gebe es allerdings ein paar Herausforderungen. So könne für Verbraucher*innen der Anreiz geschaffen werden, mehr Kleidungsstücke ins Recycling als in die Wiederverwendung zu geben. Ohne ein angemessenes Zertifizierungssystem könnten Angaben zum Rezyklatanteil missbraucht werden.Michael Brunn

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