Veolia: „Böblingen will seinen ineffizienten Müllofen füllen“

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat bestätigt, dass die Abfälle der US-Panzerkaserne Böblingen der gesetzlichen Überlassungspflicht unterliegen. Sie müssen dem Abfallwirtschaftsbetrieb übergeben werden. Das teilt das Landratsamt Böblingen mit. „Wir freuen uns, dass auch der VGH unsere Rechtsauffassung bestätigt hat“, kommentierte Landrat Roland Bernhard die Entscheidung. Veolia Umweltservice äußert sich scharf dazu: „Der Landkreis hat offenbar das Ziel, den Wettbewerb auszuhebeln und seinen ineffizienten Müllofen zu füllen."

Die US-Streitkräfte hatten mit Veolia ein privates Unternehmen mit der Entsorgung der Abfälle des Kasernengeländes beauftragt. Eingeschlossen waren dabei laut Landratsamt Böblingen sowohl die Abfälle aus dem Wohnbereich als auch aus dem eigentlichen Kasernenbereich. Das private Entsorgungsunternehmen habe die Abfälle jedoch nicht dem Landkreis Böblingen überlassen, sondern diese zu Anlagen außerhalb des Landkreises gebracht. Daraufhin hatte das Landratsamt eigenen Worten zufolge das Unternehmen verpflichtet, die vom Kasernengelände eingesammelten Abfälle dem Landkreis Böblingen zu überlassen und untersagt, die Abfälle außerhalb des Landkreises zu bringen. Dagegen habe sich die Entsorgungsfirma mit einem Eilantrag gewandt.

Bereits im Mai 2010 habe das Verwaltungsgericht Stuttgart die Rechtsauffassung des Landratsamtes zur Überlassung der Abfälle bestätigt. In der Begründung des Gerichtes heißt es, dass die Liegenschaften der US-Streitkräfte den Bestimmungen des deutschen Abfallrechts unterlägen. Damit sei die Überlassungspflicht der Abfälle gegeben und die Untersagungsverfügung des Landratsamtes Böblingen rechtmäßig. Gegen diesen Beschluss hatte wiederum das Entsorgungsunternehmen Beschwerde eingelegt.

Nun habe auch der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in seiner ausführlichen Begründung die Rechtsauffassung des Landratsamtes bestätigt. Der VGH erläutert, so schildert es das Landratsamt, dass die Abfälle, die im Wohnbereich Kaserne anfallen, als überlassungspflichtige Haushaltsabfälle einzustufen seien. Der Begriff der privaten Haushalte im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes setze die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung voraus, die eine selbstbestimmte Lebensgestaltung ermögliche und die auf Dauer angelegt sei.

Da die Angehörigen der US-Streitkräfte über abgeschlossene Wohneinheiten verfügten, würden hier auch Haushaltsabfälle anfallen, die dem öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger zu überlassen seien, so die Richter weiter. Darüber hinaus ergäbe sich eine Überlassungspflicht auch dann, wenn Abfälle anderer Bereiche mit den Haushaltsabfällen vermischt werden, um eine Umgehung der Überlassungspflicht für Haushaltsabfälle auszuschließen.

Ebenfalls gebilligt haben die Richter demnach die Vorgehensweise des Landratsamtes Böblingen, das beauftragte private Entsorgungsunternehmen als Abfallbesitzer in Anspruch zu nehmen. Die Verantwortlichkeit des Abfallbesitzers stünde grundsätzlich gleichrangig neben derjenigen des Abfallerzeugers. „Im Ergebnis kann damit die Überlassungspflicht für Haushaltsabfälle auch dadurch durchgesetzt werden, dass gegen das Entsorgungsunternehmen, das diese Abfälle in Besitz genommen hat, eine entsprechende Überlassungsverfügung ergeht“, so Wolf Eisenmann, der Erste Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebes.

Schließlich habe der VGH auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Überlassungsanordnung als zulässig erachtet. Die Wahrnehmung des öffentlichen Entsorgungsauftrages und die gesetzmäßige Refinanzierung sei ein dringliches Anliegen, das die sofortige Vollziehung der Verfügung rechtfertige. Ein Verzicht auf den Sofortvollzug in diesem und in vergleichbaren anderen Fällen könnte jedenfalls in der Summe die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung ernstlich gefährden, zumal die entsprechenden Gebührenausfälle später kaum kompensierbar seien.

Für Eisenmann steht nach dem Beschluss des VGH fest, „dass alle Erzeuger und Besitzer von überlassungspflichtigen Abfällen im Landkreis Böblingen gleichmäßig zur Nutzung der Entsorgungseinrichtungen des Landkreises und damit zur Überlassung der Abfälle angehalten werden müssen“. Nur so sei die Finanzierung der Vorhaltekosten der öffentlichen Einrichtungen der Abfallentsorgung und damit eine schadlose Verwertung und Beseitigung gewährleistet. Eine dauerhafte Duldung der Entsorgung von überlassungspflichtigen Abfällen der US-Streitkräfte außerhalb des Landkreises hätte „zu erheblichen Gebührenausfällen geführt, für die die anderen Gebührenzahler im Landkreis Böblingen hätten aufkommen müssen“, so Eisenmann.

Veolia: „VGH hat keineswegs im Sinne des Landkreises entschieden“

Veolia Umweltservice hingegen behauptet, dass der Verwaltungsgerichtshof Mannheim keineswegs im Sinne des Landkreises entschieden habe. Vielmehr habe der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren eingestellt. Eine solche Entscheidung widerspräche auch einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und wäre in Bezug auf die wertstoffhaltigen Abfälle europarechtswidrig.

Der Landkreis Böblingen selbst hatte sich laut Veolia Umweltservice an der Ausschreibung der Abfallentsorgung für die US-Kaserne beteiligt. Der Landkreis sei also offenbar selbst davon ausgegangen, kein Zugriffsrecht auf den Abfall zu haben. Erst nach der Niederlage in der Ausschreibung versuche der Landkreis nun mit einer Verfügung, sich das Material „nachträglich“ zu sichern. Veolia Umweltservice hatte eigenen Angaben zufolge geplant, die gut 1.000 Tonnen Müll ökologisch sinnvoll zu verwerten und nur wenige Reststoffe in die Müllverbrennung zu transportieren. Der Kreis habe dagegen das Ziel, Wertstoffe wie Metall, Kunststoffe, Papier und Holz sinnlos zu verbrennen, wie das Entsorgungsunternehmen selbst sagt. Da die Kommune die US-Army unter Druck gesetzt habe, sei Veolia Umweltservice nun gezwungen, Müll direkt an die Müllverbrennungsanlage des Kreises zu liefern.

Wie Veolia Umweltservice in einem unter anderem Statement betont, sei das Unternehmen „nicht per Gerichtsverfügung zeitweise dazu gezwungen worden, den Abfall in Böblingen Restmüllheizkraft abzuliefern“. Eine solche „Gerichtsverfügung“ existiere nicht. Zudem sei das „angeblich vom Kreis kalkulierte Abfallvolumen von 1.500 Tonnen aufgrund der tatsächlichen Mengen für Veolia Umweltservice nicht nachvollziehbar“. Nicht zuletzt weist Veolia Umweltservice vehement zurück, den Abfall aus der US-Kaserne nicht deponiert zu haben. Im Gegensatz zum Kreis habe Veolia Umweltservice vielmehr eine Verwertungsquote von über 80 Prozent erzielt. Dazu gehört ein Recycling von Metall, Kunststoffen, Papier und Holz.

Die europäische Abfallrahmenrichtlinie räume dem Recycling gegenüber der Verbrennung klar Priorität ein. Die ineffiziente Verbrennung von Wertstoffen im Müllheizkraftwerk sei eindeutig europarechtswidrig, argumentiert das Entsorgungsunternehmen. „Vor diesem Hintergrund bleibt es bei unserer Aussage: Umweltpolitisch ist der Kreis Böblingen auf dem Weg in die Steinzeit“, erklärt Veolia Umweltservice abschließend.

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