Stadt Bern zieht vors Bundesgericht

Der Berner Gemeinderat will den Littering-Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vor das Bundesgericht bringen. Das Gericht hatte entschieden, dass die Entsorgung von Siedlungsabfall aus dem öffentlichen Raum allein über die Steuern und nicht über Gebühren zu finanzieren sei. Der Gemeinderat sei überzeugt, dass das städtische Abfallreglement dem übergeordneten Recht entspreche und wolle sich für die Anwendung des Verursacherprinzips im öffentlichen Raum stark machen, heißt es in einer Mitteilung des Informationsdienstes der Stadt Bern.

Im Januar hatte das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde von verschiedenen Detailhändlern gegen die Neuberechnung der Kehrichtgrundgebühren teilweise gutgeheißen. In seinem Grundsatzentscheid hält das Gericht fest, dass die Kosten für die Entsorgung des Siedlungsabfalls aus dem öffentlichen Raum nicht über Gebühren gedeckt werden dürfen. Vielmehr sollten gemäß dem Urteil nur noch die Steuerzahler der Stadt Bern für diese Ausgaben aufkommen müssen. Der Gemeinderat hat nun eigenen Angaben zufolge entschieden, das Urteil des Verwaltungsgerichts ans Bundesgericht weiterzuziehen.

Mit dem Weiterzug der Beschwerde wolle der Gemeinderat die im Abfallreglement festgeschriebene Mitfinanzierung der Entsorgung von Siedlungsabfällen aus dem öffentlichen Raum vom Bundesgericht überprüfen lassen. Es widerspreche dem Verursacherprinzip, wenn die Entsorgung ausschließlich über die Steuern finanziert würde, so der Gemeinderat. Denn dies hieße, dass einzig die steuerpflichtige Bevölkerung und das ansässige Gewerbe der Stadt Bern dafür aufkommen müsste.

Dem Verursacherprinzip trage das Abfallreglement Rechnung, indem auch nicht steuerpflichtige Arbeitgeber über die Grundgebühren ihrer Liegenschaften und indirekt die rund 100.000 Arbeitspendler einen Teil der Entsorgungskosten im öffentlichen Raum tragen. Die Grundlast werde damit auf zusätzliche Personen verteilt, die ebenfalls Entsorgungskosten von Siedlungsabfällen im öffentlichen Raum verursachen, argumentiert der Gemeinderat.

Mit ihrer Gebührenausgestaltung ziele die Stadt Bern nicht nur auf die Verringerung von Littering, das heißt von achtlos weggeworfenen und liegengelassenen Abfällen auf Straßen, öffentlichen Plätzen oder in der Natur ab. Vielmehr gehe es ihr auch um die in öffentlichen Abfalleimern deponierten Siedlungsabfälle wie Verpackungen, Essensreste und Getränkeflaschen. Diese Abfälle seien einerseits eine Folge von veränderten Lebens- und Konsumgewohnheiten. Andererseits seien sie darin begründet, dass sich Einzelne auf Kosten der Allgemeinheit den verursachergerechten Sackgebühren entziehen wollen, so der Gemeinderat.

Der Gewichtsanteil von in öffentlichen Abfalleimern entsorgten gebührenpflichtigen Hausabfällen liegt gemäß einer Studie aus dem Jahr 2006 bei durchschnittlich knapp 50 Prozent. Die fliegende Verpflegung (Take Away) mache rund 20 Prozent aus. Eine aktuelle (noch unveröffentlichte) Studie des Bundesamts für Umwelt gehe davon aus, dass die öffentliche Hand jährlich rund 200 Millionen Franken für die Beseitigung von gelittertem Abfall im öffentlichen Raum und im öffentlichen Verkehr aufwendet.

Das Verwaltungsgerichtsurteil betreffe indirekt auch verschiedene andere Städte: Aufgrund des Bundesgesetzes über den Umweltschutz und der kantonalen Gesetzgebung finanzieren beispielsweise auch Thun oder Biel die Entsorgung von Siedlungsabfällen im öffentlichen Raum teilweise über die Abfallgebühren. Auch der Schweizerische Städteverband sei an einer Klärung der Rechtsfrage durch das Bundesgericht interessiert.

Angesichts der bestehenden rechtlichen Unsicherheiten werden laut der Mitteilung der Stadt Bern im laufenden Jahr alle geschuldeten Abfallgrundgebühren provisorisch in Rechnung gestellt. Sobald der Bundesgerichtsentscheid vorliegt, folge die definitive Abrechnung. Sollte sich aufgrund des Bundesgerichtsurteils herausstellen, dass die Gebühren reduziert werden müssen, würden die entsprechenden Beträge rückvergütet.

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