Steigender Kostendruck durch teurere Rohstoffe und sinkende Stahlpreise dürften dazu führen, dass die Beschäftigtenzahl in der Stahlindustrie weiter sinken wird. Die weltweite Rohstahlerzeugung dürfte zunächst zurückgehen und erst im kommenden Jahr wieder leicht zunehmen, prognostiziert das RWI in seinem Stahlbericht.
Die Rohstahlproduktion habe in der ersten Jahreshälfte 2010 wieder 94 Prozent des Wertes vom ersten Halbjahr 2007 erreicht. Damals war die seit der Wiedervereinigung höchste erzeugte Menge erreicht worden. Deutschland liege damit vor der EU und den USA, die im gleichen Zeitraum erst 82 beziehungsweise 84 Prozent der Vorkrisenmenge produziert haben. Dabei habe die deutsche Stahlerzeugung sowohl von der einheimischen als auch von der ausländischen Nachfrage profitiert, so das RWI. Im Inland habe die Produktion der Stahlverwender seit der zweiten Jahreshälfte 2009 angezogen. Zugleich seien die Ausfuhren insbesondere im zweiten Quartal 2010 kräftig gestiegen. Noch stärker hätten allerdings die Einfuhren zugelegt, wohl vor allem aufgrund steigender Bauinvestitionen, da der in Deutschland verwendete Baustahl größtenteils eingeführt werde. Einen wesentlichen Beitrag zum Anstieg der Rohstahlerzeugung dürfte aber der Lageraufbau geleistet haben.
Die Erlössituation der deutschen Stahlindustrie hatte sich nach Mitteilung des RWI bis zum Frühjahr 2010 verbessert. Dafür sorgten relativ niedrige Preise für Eisenerz, Stahlschrott und Kokskohle sowie im langfristigen Vergleich relativ hohe Stahlpreise. Allerdings seien die Rohstoffkosten seit dem Frühjahr gestiegen, während die Stahlpreise bei flauer Nachfrage zuletzt wieder rückläufig gewesen seien.
Für den weiteren Verlauf dieses Jahres sowie das kommende Jahr erwartet das RWI insgesamt eine stagnierende deutsche Rohstahlproduktion. Nach einer kräftigen Zunahme in der ersten Jahrehälfte dürfte die Produktion im zweiten Halbjahr rückläufig sein: Im Durchschnitt dieses Jahres dürfte die Stahlerzeugung um 36 Prozent zunehmen; im kommenden Jahr wegen eines statistischen Unterhangs im Mittel hingegen um fast 2 Prozent abnehmen. Die Nachfrage aus dem Inland dürfte nur verhalten ausgeweitet werden, da die Produktion der Stahlverwender 2011 voraussichtlich nur noch wenig steigen wird. Die Exporte dürften nach dem bisher starken Anstieg sogar leicht rückläufig sein. Auch von den Lägern werden wohl keine Impulse mehr ausgehen. Erst im Verlauf des kommenden Jahres dürfte die Produktion wieder anziehen.
Die Erlössituation der deutschen Stahlindustrie werde sich wahrscheinlich verschlechtern. Die Rohstoffe dürften teuer bleiben, höhere Stahlpreise jedoch kaum durchzusetzen sein, zumal die Nachfrage voraussichtlich flau bleiben wird, vermutet das RWI in seinem Stahlbericht. Die „Sandwichposition“ der deutschen Stahlindustrie – zwischen Anbietern mit großer Marktmacht auf der Beschaffungsseite und großen Nachfragern mit starker Verhandlungsposition wie der Automobilindustrie auf der Absatzseite – erweise sich damit wieder einmal als problematisch. Zudem träfen sie die hohen Rohstoffpreise besonders, da sie ihren Erzbedarf überwiegend am Markt decken müsse und nicht auf eine eigene Rohstoffbasis zurückgreifen könne. Der steigende Kostendruck dürfte in diesem und im kommenden Jahr dazu führen, dass die Beschäftigtenzahl in der Stahlindustrie weiter sinkt.
Auch weltweit war die Rohstahlerzeugung zur Jahreswende 2008/09 im Vorjahresvergleich krisenbedingt um gut 20 Prozent eingebrochen. Ab April 2009 sei sie allerdings wieder spürbar gestiegen, im ersten Halbjahr 2010 habe sie das Vorjahresniveau gar um 28 Prozent übertroffen. Motor dieser Entwicklung sei vor allem China gewesen. Derzeit sinke die Erzeugung von Rohstahl saisonbereinigt allerdings wieder. Gründe hierfür sind laut RWI unter anderem, dass sich die Industrieproduktion zuletzt nahezu seitwärts entwickelte. Zudem zehren die Stahlverwender zurzeit offenbar von ihren hohen Lagerbeständen. Hinzu komme, dass in China aus Umweltschutzgründen rund 50 veraltete Stahlwerke stillgelegt wurden und einige Stahlwerke im Frühjahr 2010 auf Vorrat produziert haben dürften, als höhere Eisenerzpreise angekündigt wurden.
Das RWI rechnet für 2010 und 2011 damit, dass die weltweite Rohstahlerzeugung allenfalls wenig ausgeweitet wird. Vorerst dürfte sich sogar der zuletzt erkennbare Rückgang fortsetzen. Erst im Verlauf des kommenden Jahres sei bei lebhafterer internationaler Konjunktur eine leichte Zunahme zu erwarten. Für den Jahresdurchschnitt 2010 erwartet das RWI durch die günstige Entwicklung im ersten Halbjahr einen Zuwachs der Rohstahlerzeugung um 13,5 Prozent. Da die Produktion mit einem statistischen Unterhang in das Jahr 2011 hineingeht, dürfte die Produktionsmenge im nächsten Jahr trotz der erwarteten Belebung im Jahresverlauf im Durchschnitt in etwa der von 2010 entsprechen