Ökonomen warnen vor Rückschlag für Konjunktur

Führende Ökonomen in Deutschland blicken mit gemischten Gefühlen auf die konjunkturelle Entwicklung im kommenden Jahr. Zwar werde die deutsche Wirtschaft langsam aus dem Konjunkturtief kommen, dennoch bleibe die Lage schwierig. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor zunehmenden Finanzierungsproblemen von Unternehmensgründern.

„Auf der einen Seite sehe ich, dass sich die Wirtschaft in Deutschland in durchaus beachtlichem Tempo erholt, (…) auf der anderen Seite bin ich zutiefst über das Gebaren im Finanzsektor verunsichert“, sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, im Gespräch mit „Handelsblatt Online“.

Die Finanzbranche sei nicht nur zu gefährlichen Praktiken zurückgekehrt, vielmehr seien die Finanzmärkte „noch anfälliger“ geworden, da sie von weniger, aber größeren Banken und anderen Investoren beherrscht würden, warnte Horn. „Dies könnte den gesamten Erholungsprozess gefährden und die Staaten an den Rand des Ruins bringen.“ Wichtig sei, schnell eine strenge Regulierung zu beschließen.

Ähnlich äußerte sich Kai Carstensen, Konjunkturchef des Münchner Ifo Instituts: Der Ökonom erwartet, dass sich die deutsche Wirtschaft langsam aus dem Konjunkturtal arbeitet. „Allerdings besteht kein Anlass zu überschäumendem Optimismus, denn die Lage ist insbesondere im verarbeitenden Gewerbe schwierig“, sagte er im Gespräch mit „Handelsblatt Online“.

Vor falscher Konjunktureuphorie warnt auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, Michael Hüther. „Die Risiken sind erheblich, dass sich über Liquiditätsprobleme der Unternehmen ein deutlicher Rückschlag einstellt und es so doch noch zu einem spürbaren Abbau der Beschäftigung kommt.“ Gleichwohl äußerte er die Hoffnung, dass die Erholung der Konjunktur auch 2010 tragen werde und zunehmend an Kraft gewinne. „Die Chancen sind nicht schlecht, da sich der Erholungsprozess global parallel über die Industrie vollzieht“, erklärte Hüther.

Der Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe, Michael Heise, geht davon aus, dass Deutschland die Krise im kommenden Jahr mit einem blauen Auge überstehen wird. „Für die deutsche Wirtschaft erwarte ich ein Wachstum von 2,8 Prozent, was deutlich über dem aktuellen Prognosekonsens liegt“, sagte Heise dem Online-Portal.

Mitentscheidend für diesen Ausblick sei, dass sich der Arbeitsmarkt bisher als robust erweise. „Da es Anzeichen für eine Stabilisierung der Arbeitskräftenachfrage gibt und der Umfang der Kurzarbeit wieder zurückgeht, sollte uns ein starker Einbruch des Arbeitsmarktes auch 2010 erspart bleiben“, sagte Heise. Die Arbeitslosigkeit dürfte daher im Jahresdurchschnitt bei 3,7 Millionen liegen, nach 3,4 Millionen in diesem Jahr.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) schlug Alarm, weil Unternehmensgründer bei der Finanzierung ihrer Firmen zunehmend auf Schwierigkeiten stoßen. Dies betreffe zwei Drittel der Existenzgründer, sagte DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag) unter Berufung auf eine Umfrage seiner Organisation unter 1100 Betroffenen. Die Finanzierung guter Geschäftsideen sei derzeit außerordentlich schwierig, weil die Banken durch die Krise noch „risikosensibler“ seien.

Wirtschaftsprofessor Max Otte warnte, dem Finanzsystem drohten weitere Schwierigkeiten. „Die neuen Gefahren drohen einmal durch die völlig unzureichende bis überhaupt nicht erfolgte Aufstellung neuer Regeln“, sagte Otte, der die US-Immobilienkrise und damit die Ursache der Finanzkrise bereits 2006 vorausgesagt hatte, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Zwar spreche alle Welt über neue Regeln für den Finanzmarkt, aber es passiere nichts – „das heißt: Von dieser Seite her wird die neue Blase nicht verhindert“. (dpa)

Kommentar schreiben

Please enter your comment!
Please enter your name here

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.