Alternative Kreislaufwirtschaft

Ende März hat die Europäische Kommission ihre Textilstrategie vorgelegt. Das Wuppertal Institut hat in dem Bericht „Die Kreislaufwirtschaft als neues Narrativ für die Textilindustrie. Eine Analyse der textilen Wertschöpfungskette mit Blick auf Deutschlands Chancen einer kreislaufwirtschaftlichen Transformation.“ untersucht, was zur Umsetzung dieser Strategie notwendig ist.
Foto: MichiS; pixabay.com

Textilien seien ein fester Bestandteil unserer Lebensweise und finden in den unterschiedlichsten Bereichen statt. „Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat die Nachfrage nach Textilien und insbesondere nach Kleidung in einer Art und Weise zugenommen, dass ihr Gebrauch nicht mehr auf die grundlegende Bedürfnisbefriedigung zurückgeführt werden kann; denn während sich das Bevölkerungswachstum seit 1975 knapp verdoppelt hat, verdreifachte sich die Textilproduktion“, heißt es weiter. Alleine zwischen 2000 und 2014 habe sich die Anzahl der weltweit produzierten Kleidungsstücke verdoppelt. Dies sei vor allem durch die Fokussierung auf den Massenkonsum zurückzuführen. Dies habe zu Kleidungsstücken mit kurzer Lebensdauer geführt, Kleidungsstücke seien fast zu Einwegprodukten geworden. Zudem habe das rasante Wachstum der Branche zu einer zunehmenden Verflechtung und Komplexität geführt. Die EU spiele als Endabnehmer und Fertigungspartner eine wichtige Rolle. 2020 seien 6,9 Millionen Tonnen Textilprodukte gefertigt worden. Auf der anderen Seite importiere die EU etwa 63 Prozent der textilen Endprodukte und 70 Prozent der fertigen Modeprodukte. Deutschland nehme dabei eine zentrale Rolle ein. „Gemessen am Gewicht ist Deutschland weltweit zweitgrößter Importeur von Kleidung und Schuhen und fünftgrößter Importeur von Textilien.“ Etwa die Hälfte des Gesamtimportvolumens stamme dabei aus China und Bangladesch. Auch als Exporteur spiele Deutschland eine bedeutende Rolle. Allerdings sei die Produktion in Deutschland rückläufig.

Umweltauswirkungen

„Die Produktion und der Konsum von Textilien gehen mit weitreichenden sozialen und ökologischen Folgen einher, die sich durch das unbeirrte Wachstum der Textilindustrie in den letzten Jahrzehnten zugespitzt haben“, heißt es weiter im Bericht. Das Ausmaß der Umweltbelastung hänge dabei zunächst von der Wahl der Faser ab. So sei etwa die Produktion von etwa 25 Millionen Tonnen Baumwolle für etwa 2,5 Prozent des globalen Wasserverbrauchs verantwortlich. Die Produktion synthetischer, auf fossilen Rohstoffen basierenden Fasern hingegen sorgte jährlich für den Verbrauch von 98 Millionen Tonnen nicht erneuerbarer Ressourcen. Nach Verpackungen und Konstruktion sei der Textilsektor für den größten Kunststoffverbrauch verantwortlich. In jeder Phase der Wertschöpfungskette würden zudem große Mengen Energie benötigt. So sei die Textilbranche 2018 für 4 Prozent aller weltweit ausgestoßenen CO2-Emissionen verantwortlich gewesen. Aufgrund der zentralen Rolle der EU beim Import sei diese auch für einen erheblichen Teil der Umweltfolgen mit verantwortlich. Allerdings würden die meisten dieser Umweltfolgen in anderen Ländern auftreten. „Das hohe Produktions- und Konsumvolumen hat aufgrund des derzeit linear aufgebauten Textilsystems zudem hohe Abfallmengen zufolge, die aufgrund bislang fehlender End-of-life-Lösungen, als eines der zentralen negativen Folgen der Textilindustrie zu sehen sind.“

Deutschland gegen den Trend

Weltweit sei die Fashion-Industrie jährlich für etwa 92 Millionen Tonnen Abfälle verantwortlich. Zudem werde bis 2030 eine Zunahme um 60 Prozent gegenüber 2015 erwartet. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass es trotz des wachsenden Produktionsvolumens nicht gelinge, das Abfallaufkommen zu reduzieren oder die Abfälle möglichst ressourcenschonend im Kreislauf zu führen. Zudem seien die erfassten Alttextilien von immer schlechterer Qualität.

In der EU sei von 2004 bis 2018 das Textilabfallaufkommen um etwa 46 Prozent zurückgegangen. Deutschland weise hingegen einen gegenläufigen Trend auf, im genannten Zeitraum habe das Textilabfallaufkommen um 52 Prozent zugenommen. „Mit einem Textilabfallvolumen von 339 Tausend Tonnen war Deutschland 2018 für 16 Prozent des EU-weiten Textilabfalls verantwortlich und platzierte sich somit direkt nach Italien (24 Prozent) an zweiter Stelle.“ 62 Prozent der in Deutschland gesammelten Alttextilien werden wiederverwendet. Die Verwertungsquote betrage 14 Prozent, 12 Prozent würden recycelt.

Alternative gesucht

Als Alternative wird auch für die Textilindustrie seit geraumer Zeit eine Kreislaufwirtschaft ins Spiel gebracht. Dabei stehe an erster Stelle ein zirkuläres Design der Produkte. „Es bestimmt nicht nur die Langlebigkeit eines Produkts, sondern auch die Möglichkeit bzw. Häufigkeit, mit der das Produkt bzw. seine Materialien wieder in das System zurückgeführt werden können; bei einem recyclingfähigem Produkt (Stichwort: design-for-recycling) können bspw. Die Materialien wieder zu Fasern gesponnen werden, wodurch der Bedarf an zusätzlichen Primärrohstoffen reduziert wird“, heißt es im Bericht. Zudem könne die Nutzungsdauer von Produkten verlängert werden. In Bezug auf die große Menge an Textilabfällen sei vor allem eine Verhaltensänderung der Verbraucher*innen notwendig.

Textilien erst jetzt im Fokus

Auf europäischer Ebene spiele die Textilindustrie in den Strategien zur Nachhaltigkeit erst seit kürzerer Zeit eine wesentliche Rolle. So wird ab 2025 eine getrennte Sammlung verpflichtend eingeführt. „Doch bislang haben EU-Vorgaben gefehlt, wie die Umsetzung einer textilen Kreislaufwirtschaft auf nationaler Ebene aussehen könnte.“ Dementsprechend würden Maßnahmen in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfallen. „Obwohl in den novellierten Abfallvermeidungsprogrammen Textilabfälle vermehrt berücksichtigt werden und eine Zunahme an Maßnahmen zu verzeichnen ist, werden fragmentierte Maßnahmen auf nationaler Ebene letztendlich nicht ausreichend sein, um eine derart global verflochtene Industrie wie die der Textilindustrie holistisch transformieren zu können.“ Dies soll sich mit der Ende März vorgestellten Textilstrategie ändern.
Nach Auffassung der Autoren enthalte die EU-Textilstrategie eine klare Vision für die Textilindustrie bis 2030. Zu den vorgesehenen Maßnahmen gehören verbindliche Ökodesign-Anforderungen, das Verbot der Vernichtung unverkaufter Textilien, eine kontrollierte Ausfuhr von Textilabfällen, Nachhaltigkeitsansprüche der Verbraucher*innen, geschlossene Stoffkreisläufe und eine erweiterte Herstellerverantwortung.

Chance nutzen

Bei der Umsetzung der ambitionierten Textilstrategie biete sich für Deutschland die Möglichkeit, sich als Vorreiter zu positionieren und damit die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sicherzustellen. Deutschland habe in den letzten Jahrzehnten als Produktionsstandort für die Textilindustrie an Bedeutung verloren. Mit der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft könne dieser Trend umgekehrt werden. Erste Schritte seien bereits unternommen worden, nun werde aber eine klare Roadmap benötigt. Diese müsse unter anderem eine klare und transparente Definition von Verantwortlichkeiten erhalten. Diese sei mit der Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung klar. Notwendig sei auch der Ausstieg aus der „Fast Fashion“. „Sobald sich Unternehmen an den Kosten der Sammlung und Verwertung beteiligen müssen, sollten sich diese Kosten an der Zirkularität der Produkte und Geschäftsmodelle orientieren.“ Dazu seien allerdings klare Bemessungskriterien durch Standards und Normen notwendig.

Für die ab 2025 vorgeschriebene Ge­­trenntfassung sei das deutsche Konzept der Container-Sammlung ungeeignet. Es müsse daher ein System zur intelligenten und flächendeckenden Sammlung entwickelt werden. Hier müssten die Verbraucher*innen viel stärker in den Fokus rücken.
„Die so gesteigerten Erfassungsmengen sind nur dann als sinnvoll zu erachten, wenn sie anschließend hochwertig verwertet bzw. weiterverwendet werden können“, heißt es weiter. Hier sei Deutschland technologisch gut aufgestellt, allerdings seien viele dieser Verfahren heute noch nicht wirtschaftlich. Daher müssten entsprechende finanzielle Anreize geschaffen werden.

Und schließlich seien die Verbraucher*­innen unverzichtbar für eine erfolgreiche Transformation. Hier werde ein Kommunikationskonzept benötigt, das unter anderem die Klimarelevanz von Kleidungsstücken verdeutlicht. Es sei aber grundsätzlich notwendig, auf nationale Alleingänge zu verzichten. „Angesichts der globalisierten Wertschöpfungskette sollten alle Aktivitäten darauf abzielen, Grundlagen für die Umsetzung der EU-Textilstrategie zu entwickeln und gleichzeitig Deutschland als Vorreiter der zirkulären Textilwirtschaft zu positionieren“, heißt es abschließend im Bericht.

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