bvse: Tempo bei Kreislaufwirtschaft erhöhen

Interview mit Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse.

Der Statusbericht Kreislaufwirtschaft 2020 wurde in den vergangenen Wochen und Monaten erarbeitet und nun veröffentlicht. Herr Rehbock, warum hat sich der bvse an diesem Projekt mit 14 anderen Verbänden und Unternehmen beteiligt?

Eric Rehbock: In der Öffentlichkeit, aber auch in der Politik, wird sehr intensiv und engagiert, natürlich aber auch kontrovers über die Themen Kreislaufwirtschaft, Recycling, CO2-Reduzierung und Nachhaltigkeit diskutiert. Es ist daher sinnvoll, dass man weiß, worüber man redet. Der Statusbericht gibt einen guten Überblick darüber, wie leistungsfähig die deutsche Kreislaufwirtschaft ist. Von daher ist es für uns, als dem größten mittelständisch geprägten Recycling- und Entsorgungsverband in Deutschland, eine Selbstverständlichkeit und ein wichtiges Anliegen, hier unseren fachlichen Beitrag zu leisten.

Was sind für Sie die Schlüsseldaten der Branche?

Rehbock: Ich denke, dass man sich klar machen muss, dass die Recycling- und Entsorgungs-Branche einen Umsatz von rund 85 Milliarden Euro erzielt und über 310.000 Menschen beschäftigt. Gegenüber 2010 hat sich der Umsatz um satte 18 % erhöht. Das zeigt, dass wir eine dynamische Zukunftsbranche und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland sind.

Volkswirtschaftliche Kennzahlen sind aber nicht alles. Was ist Ihr besonderes Augenmerk?

Rehbock: Die Dynamik der Branche zeigt sich auch in ihrer Innovationsfähigkeit. Bei der Anlagentechnik ist „Made in Germany“ gefragt. Da sind wir Nummer 1 auf dem Weltmarkt. Im weltweiten Patentranking stehen wir im Bereich der Abfallbehandlung an 4. Stelle. Da befinden wir uns jedoch in harter Konkurrenz mit Japan und China. Wir dürfen uns also keineswegs auf unseren Lorbeeren ausruhen, sonst werden wir schnell abgehängt. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung findet ein intensiver Innovationswettbewerb statt.

Findet die Digitalisierung inzwischen auch konkret in den Unternehmen statt?

Rehbock: Die Digitalisierung der Recycling- und Entsorgungsbranche hat in den letzten beiden Jahren noch einmal quantitativ und qualitativ einen Riesensprung gemacht. Gerade im Kundenmanagement, im Bereich von innerbetrieblichen Abläufen, der Anlagentechnik und natürlich im Bereich der Logistik hat die Digitalisierung inzwischen eine breite Anwendung in den Unternehmen gefunden. Die Entwicklung macht hier rasend schnelle Fortschritte.

Der Begriff der Kreislaufwirtschaft ist inzwischen auch in der Politik angekommen. Was macht die Kreislaufwirtschaft eigentlich aus?

Rehbock: Kreislaufwirtschaft ist längst nicht mehr die Entsorgung von Abfällen. Die Vision ist, von der Produktidee, dem Produktdesign, der Produktion und der Verwendung bis hin zur Entsorgung dafür zu sorgen, dass die im Produkt verwendeten Materialien nach Möglichkeit nicht verloren gehen, sondern immer wieder genutzt werden. Momentan greifen die Zahnräder einfach zu wenig ineinander. Nach wie vor gehen in Deutschland zu viele Wertstoffe in die Verbrennung. Das wollen und das müssen wir ändern!

Wo stehen wir heute in Deutschland?

Rehbock: Unsere Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft umzuwandeln, ist mit einem Marathonlauf zu vergleichen. Wir stehen in Deutschland zwar nicht mehr am Start, aber wir befinden uns immer noch in der Anfangsphase. Es kommt jetzt darauf an, dass wir das Tempo vernünftig steigern und uns nicht vom Weg abbringen lassen, egal wie groß die Verleitung dazu auch sein mag.

Wie sehen denn diese Verleitungen aus?

Rehbock: Wir stellen beispielsweise momentan fest, dass die Recyclat-Nachfrage deutlich eingebrochen ist. Die kunststoffverarbeitende Industrie setzt wieder verstärkt auf Neuware, die inzwischen konkurrenzlos günstig zu haben ist.

Wie kann man hier gegensteuern?

Rehbock: Wir brauchen ein Level Playing Field, das Recyclaten und damit dem Kunststoffrecycling als wichtigem Part im Um- und Ausbau einer Kreislaufwirtschaft eine faire Chance gibt. Der klimaschädliche CO2-Rucksack, der bei der Produktion von Kunststoffneuware entsteht, bleibt bei der Preisbildung bislang nämlich völlig außen vor. Dies muss sich dringend ändern. Klimaschutz und Recycling müssen gleichermaßen gestärkt werden. Wenn mehr Recyclate und weniger Kunststoffneuware eingesetzt werden, reduzieren sich die CO2-Emmissionen. Wer darauf aus Kostengründen verzichtet, darf nicht belohnt, sondern muss mit einem deutlichen Preisaufschlag sanktioniert werden.

Wo sehen Sie noch ungenutztes Potenzial für die Kreislaufwirtschaft?

Rehbock: Ganz klar im Bereich der Ersatzbaustoffe. Hier gibt es noch eine viel zu große Zurückhaltung bei Planern, Bauherren und Bauunternehmern, Recyclingbaustoffe zu verwenden. Wir haben daher als bvse gemeinsam mit dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe und dem Deutschen Abbruchverband ein bundesweites Qualitätssicherungssystem für Recyclingbaustoffe auf die Beine gestellt, um diese Vorbehalte abzubauen.

Was kann die öffentliche Hand unternehmen, um die Verwendung von Recyclingprodukten selbstverständlich zu machen?

Rehbock: Mit gutem Beispiel voran gehen! Das Umweltgutachten des Sachverständigenrats (SRU) geht von einem direkten Beschaffungsvolumen von jährlich 122,5 Milliarden Euro von Bund, Ländern und Kommunen aus. Wenn dieses Beschaffungsvolumen konsequent auf Nachhaltigkeit getrimmt wird, dann wären wir der Kreislaufwirtschaft in Deutschland einen großen Schritt näher!

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