Neue Werkstoffe erfordern neue Entsorgungsverfahren

Die Recyclingwirtschaft sieht sich durch die Leichtbaustrategie der Automobilindustrie zunehmenden Entsorgungsproblemen gegenüber. Gerade Carbonfasern bieten keine Entsorgungssicherheit.
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„Die kohlefaserverstärkten Kunststoffe im Automobil stellen heute schon trotz geringer Mengen ein großes Entsorgungsproblem dar“, sagte Dr. Gerd Hähne, Geschäftsführer der Scholz Recycling GmbH. „Wir stellen einen steigenden Anteil in den Shredderrückständen fest. Fraktionen, die für die energetische Verwertung vorgesehen sind, werden von den Anlagenbetreibern zunehmend verweigert.“

Zur Gewichtsreduzierung der Fahrzeuge und damit zur Treibstoffeinsparung werden immer mehr hochfeste Stähle, Kunststoffe und verschiedene Verbundmaterialien verwendet. Im Rahmen des „Multimaterialdesigns“ werden auch immer häufiger kohlefaserverstärkte Kunststoffe eingesetzt, die in hochbelasteten Strukturbauteilen große Lasten auffangen können und damit zu mehr Sicherheit beitragen. „Bei der Entwicklung der Neufahrzeuge wird jedoch kaum berücksichtigt, dass immer komplexere Bauteile das Recycling nahezu unmöglich machen“, sagte Dr. Hähne.

Für das im Leichtbau konstruierten Elektrofahrzeug fallen mehr als 10 Euro pro Kilogramm Mehrkosten im Vergleich zum konventionellen Fahrzeug (siehe Forel-Studie, 2015) an, was immerhin bis zu 15.000 Euro pro Fahrzeug bedeutet, heißt es in dem Statement der Scholz Recycling GmbH zur Carbonfaser-Thematik. Dies ist seitens der Hersteller weithin akzeptiert, dabei sind jedoch noch nicht die zukünftigen Aufwendungen für neue Recyclingverfahren enthalten. Die Scholz-Gruppe als Aufbereiter von Altfahrzeugen fordert, beim Design auch das Lebensende im Blick zu behalten. Neues Design und neue Materialen im Automobilbau seien gemäß Anforderungen an die Produktverantwortung hinsichtlich der Recyclingfähigkeit immer mit zu beleuchten. Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft seien zumindest ausreichend Informationen zum Verbau komplexer Bauteile und nicht recyclingfähiger Werkstoffe notwendig, auch eine gemeinsame Durchführung von Forschungsvorhaben mit finanzieller Beteiligung der OEMs sei erwünscht, so das Unternehmen.

Die Scholz-Gruppe äußert insbesondere Bedenken beim Einsatz von Carbonfasern, weil Wissenschaftler schon längere Zeit vor den Gefahren der Kohlefasern warnen. Weil eine Deponierung aufgrund hoher Verwertungsquoten ausgeschlossen ist, müssen energetische oder stoffliche Verfahren entwickelt werden, in denen die Fasern behandelt werden können.

Prof. Peter Quicker von der RWTH Aachen arbeitet seit einiger Zeit mit seinem Team am Verhalten der Fasern bei thermischen Prozessen und äußert dazu: „Eine vollständige Zerstörung von Carbonfasern ist mit den üblichen Verbrennungsverfahren für Abfälle nicht möglich. Im schlimmsten Fall entstehen Faserbruchstücke, die aufgrund ihrer Geometrie vermutlich als kanzerogen einzustufen sind. Zudem können die Fasern zu deutlichen Beeinträchtigungen im Anlagenbetrieb führen und zum Beispiel die Funktion von Sensoren oder von elektrostatischen Abscheidern beeinträchtigen oder zu deren vollständigen Ausfall führen.“

Die Scholz-Gruppe hat erste Weigerungen seitens der Verbrennungsanlagen vorliegen, weil Shredderrückstände Fasern enthalten. Gerd Hähne dazu: „Das Vorkommen von Carbonfasern führt bald zum Entsorgungsnotstand einzelner Shredderfraktionen, auch die Quoten gemäß Altfahrzeuggesetz können dann nicht mehr eingehalten werden. Stoffliche Verwertungsverfahren sind noch nicht ausgereift.“

Am Standort Leipzig-Espenhain sowie beim hundertprozentigen Tochterunternehmen SRW metalfloat GmbH (SRW), führendes Recyclingzentrum für Altfahrzeuge, Elektronikschrott und Abbruchschrotten, wird man sich mit immer komplexerem Inputmaterial auseinandersetzen müssen. Die Experten des führenden Recyclingunternehmens rufen dazu auf, dass Wissenschaftler, Recycler und Hersteller einen Dialog starten zum „Recycling neuer Altfahrzeuge in Multimaterialdesign“.

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