Kartell der Kreditverhinderer

Brigitte G. ist enttäuscht, maßlos enttäuscht. Sie fühlt sich von ihrer Hausbank, der örtlichen Sparkasse, im Stich gelassen. Dabei lief bis Mitte 2008 alles rund in ihrer Entsorgungs- und Containerfirma. Das Geschäft mit Metallschrott brummte, der Umsatz stieg kontinuierlich, sogar einen neuen Betriebshof konnte sie einrichten, doppelt so groß wie der alte. Die Hausbank war immer dabei – bis sie im Sommer 2008 plötzlich den Geldhahn zudrehte.

Von Cornelius Heyer

Das Unternehmen war in die Fänge eines Schreckgespenstes geraten, das momentan landauf, landab die mittelständischen Unternehmen heimsucht: Die von der Finanzkrise ausgelöste Kreditklemme. Die Firmen ächzen unter der Zauderei der Banken, die vielerorts nicht einmal mehr das geringste Risiko eingehen wollen – und damit dem Recyclinggeschäft den finanziellen Schmierstoff entziehen und sein Räderwerk verlangsamen. „Wir bekamen auf einmal keine Kredite mehr, obwohl unser Unternehmen 2008 in der Hochphase beim Schrott kerngesund dastand“, berichtet Brigitte G. „Ich war entsetzt, aber es war nichts zu machen.“

Die Bank erklärte ihr rundheraus, dass ihr das Risiko zu hoch sei. „Damit wurde die Firma sehr geschwächt“, bemerkt G. bitter. Sie musste Ankäufe absagen, zuletzt sogar zehn Mitarbeiter entlassen. „Mit höherer Liquidität hätte ich sogar einstellen können“, sagt die Firmenchefin. Am Ende forderte die Bank sogar das Häuschen ihrer Eltern als Sicherheit. „Als ob der Betrieb selbst nicht Sicherheitswert genug wäre“, empört sich G.

Das böse Wort Kreditklemme – bei den Banken und Sparkassen in Deutschland will es interessanterweise niemand in den Mund nehmen. „Es gibt bei uns keine Kreditrestriktionen und auch keine höheren Ansprüche an die Antragsteller“, erklärt beispielsweise Gerd Meyer, Sprecher der Stadtsparkasse Düsseldorf. Er gibt zu bedenken, dass auch in wirtschaftlich guten Zeiten Kredite abgelehnt werden. „Wenn das geschieht, ist die schlechte Marktlage schuld“, sagt Meyer.

Diese warmen Worte nützen dem einzelnen Unternehmen herzlich wenig. Denn die Kreditklemme ist Realität. Das ifo-Institut etwa meldet, dass die von ihm befragten mittelgroßen Unternehmen im Februar zu 41,9 Prozent die Kreditvergabe der Banken als restriktiv empfinden. Im Januar waren es noch 35,6 Prozent. Und der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) nennt die Banken „übervorsichtig“. Experten wie der Dortmunder Finanzberater Michael Vetter (siehe Interview) gehen davon aus, dass sich in den Büchern der Institute noch so viele Risiken verstecken, dass die Kundenbetreuer angewiesen sind, nur noch hundertprozentig sichere Geschäfte einzugehen.

Der Regierung in Berlin sind die Sorgen der Unternehmen nicht fremd. Sie hat deshalb im Rahmen ihrer Möglichkeiten versucht, der Kreditklemme entgegenzuwirken. Die Mittelstandsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) soll 15 Milliarden Euro zusätzlich an die Firmen verleihen. So könnte die Unsicherheit der Banken ausgeglichen werden. Damit das Programm Erfolg hat, wurden darüber hinaus die Regeln für die KfW-Kredite gelockert. Beantragt werden diese nämlich über die Hausbank, die auch die Plausibilitäts- und Bonitätsprüfung vornimmt. Normalerweise haftet die Bank auch im Falle einer Insolvenz des Kreditnehmers gegenüber der KfW.

Nun hat die Regierung entschieden, dass die Staatsbank bis zu 90 Prozent des Risikos bei Investitionskrediten trägt, bei Betriebsmittelkrediten immerhin 60 Prozent.
Es bleibt nur ein minimales Restrisiko – warum also, fragt man sich beklommen, agieren die Banken immer stärker als Kreditverhinderer? Die Wirtschaftsverbände versuchen zurzeit, dem auf den Grund zu gehen und die Banken zu überzeugen, den Markt wieder mit Liquidität zu versorgen. Unternehmerin Brigitte G. jedenfalls hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben – sie wird ihre Hausbank auch weiter mit Argumenten bearbeiten.

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