Die getrennte Erfassung von Verkaufsverpackungen sei zur Sicherung der Sekundärrohstoffqualität unerlässlich. Es bedarf der Vorsortierung durch den Verbraucher, damit im Anschluss an die Sortierung in modernen Anlagen die verschiedensten Materialien in marktgängigen Qualitäten vor allem für die stoffliche Verwertung zur Verfügung stehen. Aber auch für die Herstellung hochwertiger und energieeffizienter Ersatzbrennstoffe sind saubere Trennungsprozesse erforderlich, die eine Verbraucherbeteiligung in Form der Getrenntsammlung verlangen.
Laut bvse sei auch die modernste, technisch anspruchsvolle Sortieranlagen nicht in der Lage, nach einer gemischten Erfassung auch nur annähernd qualitativ gleichwertige Sekundärrohstoffe zu erzeugen. Dies hätte auch im letzten Jahr ein Gutachten von Prof. Dr. Pretz von der RWTH Aachen eindrucksvoll bewiesen (siehe hierzu ausführlich RECYCLING magazin 11/2006).
Ein weiteres zentrales Anliegen der privaten Entsorgungswirtschaft im Rahmen der 5. Novelle ist die Frage der künftigen Ausgestaltung der Ausschreibung von Entsorgungsdienstleistungen. So beobachtet der Verband mit Sorge eine zunehmende „vertikale Aufstellung neuer am Markt aktiver Systeme“, also die Integration der gesamten Wertschöpfungskette von der Sammlung über die Sortierung bis hin zur Verwertung auf der einen Seite, kombiniert mit der Lizenzierung der Verpackungen durch den Systembetreiber auf der anderen Seite. Mittelständische Entsorgungsunternehmen befürchten, dass sie bei den Ausschreibungen von Entsorgungsleistungen dazu gezwungen werden, wettbewerbssensible Informationen über die wirtschaftlichen und technischen Strukturen, wenn nicht gar ihre ganze Kalkulation offen zu legen. Dies würde zwangsläufig zu einem Verdrängungswettbewerb führen.
Der bvse fordert daher, bereits in der Verpackungsverordnung Sicherungsmechanismen vorzusehen, die derartige Marktverwerfungen verhindern. Es reiche nicht aus, dass sich die Systembetreiber verpflichten, sich an einer „Gemeinsamen Stelle“ zu beteiligen. Diese Stelle soll sich unter anderem um die wettbewerbsneutrale Koordination der Ausschreibung kümmern. Aus Sicht des bvse sollte auch sichergestellt werden, dass die Entsorgungswirtschaft an der Gemeinsamen Stelle beteiligt ist.
Da mit dem Novellierungsvorschlag der Bundesregierung künftig alle Verkaufsverpackungen, die typischerweise beim privaten Endverbraucher anfallen, bei einem oder mehren Systembetreibern zwingend lizenziert werden müssen, müsse die Definition des „privaten Endverbrauchers“ als Schlüsselbegriff der Verpackungsverordnung dementsprechend eng gefasst werden. Dadurch soll vor allem verhindert werden, dass im klassischen gewerblichen Bereich die Systembetreiber einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil bekommen. Hinsichtlich der Begriffsdefinition ist aus Sicht des bvse unbedingt – zumindest in der Begründung – klarzustellen, dass die den Haushaltungen vergleichbaren Anfallstellen nur dann als solche zu betrachten sind, wenn sie unter die „1,1er-Lösung“ fallen. Alle in § 3 Absatz 11 genannten vergleichbaren Anfallstellen sind nur dann Haushaltungen vergleichbar, wenn sie auch in einem haushaltüblichen Abfuhrrhythmus mit einem haushaltsüblichen Abfuhrvolumen entsorgt werden können.
Aus Gründen der Gleichbehandlung der Selbstentsorger mit den Systembetreibern sowie zur Verhinderungen von Mengenverschiebungen hält es der bvse zudem für erforderlich, an die Aufnahme der Tätigkeit als Selbstentsorger vergleichbare Anforderungen wie an die der Systembetreiber zu stellen. Die allgemeinen Anforderungen des Anhangs I Nr. 2 sollten entsprechend auch im Rahmen des § 7 Anwendung finden, so dass von ihnen ein Funktions- und Effizienznachweis verlangt wird.
Für die Praxis würde dies bedeuten, dass die Selbstentsorger dokumentieren sollten, dass am Ort der tatsächlichen Übergabe oder in dessen Nähe Rückgabemöglichkeiten in ausreichendem Maß vorhanden sind, so dass die an den Endverbraucher abgegebenen Verpackungen effektiv bei den Selbstentsorgern zurückgenommen und anschließend wieder verwendet oder stofflich verwertet werden. Hierfür sind die für die stoffliche Verwertung notwendigen Verwertungskapazitäten darzustellen und deren Verfügbarkeit zu belegen.
Geht es nach dem Willen der bvse-Vertreter, sollten die Selbstentsorger auch verpflichtet sein, bei der Nachfrage nach Entsorgungsleistungen ein Verfahren zu wählen, das eine Vergabe im Wettbewerb sichert. Auch wenn dies nicht bedeutet, dass eine der der öffentlichen Auftraggeber vergleichbare Ausschreibung durchgeführt werden muss, wird durch dieses Erfordernis sehr wohl gesichert, dass Pluralität im Markt bestehen bleibt. Dies bietet zugleich eine Gewähr für eine langfristige Entsorgungssicherheit.
Ein weiterer Knackpunkt der Novellierungsvorschläge ist § 10 Absatz 1. Danach sollen Hersteller und Vertreiber, die Verkaufsverpackungen für den privaten Endverbraucher erstmals in Verkehr bringen, für die von ihnen in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen eine Vollständigkeitserklärung abgeben. Den Ansatz hält der bvse grundsätzlich für sinnvoll. Um Trittbrettfahrerei einzudämmen, müssen auf Grund der Erfahrungen in der jüngeren Zeit Mechanismen vorgesehen werden, um alle Beteiligten zu regelgerechtem Verhalten zu zwingen. Diesbezüglich ist die Vollständigkeitserklärung ein wichtiges Element.
In der konkreten Ausgestaltung lasse der grundsätzlich richtige Ansatz allerdings zu wünschen übrig: Die Vollständigkeitserklärung soll sich zum einen nur auf Verkaufsverpackungen beziehen, nicht aber auf die beiden anderen Verpackungsvarianten Transport- und Umverpackung. Zum anderen sind primär nur die Verkaufsverpackungen in den Blick genommen, die bei einem Systembetreiber lizenziert sind.
Diese Beschränkungen sind aus Sicht des bvse nicht sinnvoll. Wenn und soweit eine Erklärung nur in Bezug auf die Verkaufsverpackungen abgegeben werden muss, ist die Plausibilität der Angaben nicht mehr nachzuvollziehen und das Tor für Manipulationen und Umgehung weit geöffnet. Trittbrettfahrer können so nur eingeschränkt verhindert werden, denn eine Beurteilungsbasis wird aus Sicht des bvse mit der beschränkten Erklärungspflicht gerade nicht geschaffen. Zudem sei ein Abgleich zwischen in Verkehr gebrachtem und verwerteten Material auch mit der Einführung der Vollständigkeitserklärung nicht möglich.
Um systeminterne Falschdeklarierungen von Verpackungen ausmachen zu können, müsse die Zahl der absolut in Verkehr gebrachten Verpackungen bekannt sein. Nur dann, wenn eine verlässliche Beurteilungsbasis verfügbar ist, kann Trittbrettfahrerei ausgemacht und ausgemerzt werden, erläutert der Verband. Um hier für den Vollzug Erleichterungen zu schaffen, sollten die Vollständigkeitserklärungen nicht nur die für die Überwachung der abfallwirtschaftlichen Vorschriften zuständigen Behörden einsehbar sein.
Ein weiteres Problem, dass den Mitgliedern des bvse Probleme bereiten könnte, ist die Tatsache, dass in jüngster Vergangenheit zu beobachten ist, dass nicht die einzelnen Hersteller die Verkaufsverpackungen bei den dualen Systemen lizenzieren, sondern der Handel für sein gesamtes Sortiment. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird es aufgrund der vergleichsweise kleinen Zahl der Nachfrager nach Lizenzierungsleistungen zu einer Lahmlegung des gerade erst begonnenen Wettbewerbs zwischen den dualen Systemen kommen und es werden gerade die mittelständischen Verpackungshersteller benachteiligt. Dieser negative Effekt würde laut bvse auch nicht dadurch verhindert, dass nach dem Verordnungsentwurf im Grundsatz der Erstinverkehrbringer die Lizenzierung durchführen soll und die Vollständigkeitserklärung abzugeben hat.