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bvse kritisiert Referentenentwurf zur Anpassung des Verpackungsrechts

Der bvse hat gegenüber dem Bundesumweltministerium eine umfangreiche und ungewöhnlich deutliche Stellungnahme zum Referentenentwurf des Gesetzes zur Anpassung des Verpackungsrechts und weiterer Rechtsbereiche an die EU-Verordnung 2025/40 (PPWR) abgegeben. Die Kritik fällt scharf aus: Der Verband sieht den Mittelstand existenziell bedroht, warnt vor einer gefährlichen Machtverschiebung im Markt.
Foto: Norbert; pixabay.com
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In seiner Vorbemerkung weist der bvse darauf hin, dass er als Dachverband rund 1.100 überwiegend mittelständische Entsorgungs- und Recyclingunternehmen repräsentiert. Diese Struktur – kleinteilig, regional verwurzelt und wettbewerbsstark – sei für Deutschland typisch und einer der Gründe für die hohe Leistungsfähigkeit der Branche.

Doch genau diese Struktur sieht der Verband nun bedroht. Der Referentenentwurf schränke die unternehmerischen Freiheiten massiv ein und dränge mittelständische Unternehmen in eine neue Rolle: an den Rand. „Durch die geplanten Regelungen wird der Mittelstand real degradiert – zu reinen Dienstleistern großer Konzerne“, warnt bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock. „Was hier vorbereitet wird, ist nichts anderes, als eine marktwirtschaftliche Schieflage mit Ansage.“

§ 32 als Kernproblem: Gefahr einer marktbeherrschenden Struktur

Die geplante Verpflichtung für Hersteller, sich auch für gewerbliche Verpackungen zu einer zentralen Organisation zusammenzuschließen und eine unentgeltliche Rücknahme zu gewährleisten, gefährdet ein bislang bewährtes und gut funktionierendes System. Dieses zeichnet sich besonders durch Vielfalt, regionale Strukturen und den Wettbewerb zahlreicher mittelständischer Entsorger aus – Elemente, die ohne Not geschwächt oder sogar zerstört würden.

Der bvse weist darauf hin, dass derzeit die Entsorgung und Verwertung von Gewerbe- und Industrieverpackungen nach einem eingespielten Prinzip funktioniert: Die Anfallstellen beauftragen und bezahlen ein Entsorgungsunternehmen direkt für Abholung und Verwertung. Je nach vertraglicher Regelung erhalten sie die Kosten vom Hersteller ganz oder teilweise erstattet.

Unentgeltliche Rücknahme wird von PPWR für gewerbliche Verpackungen nicht verlangt

Es ist unstrittig, dass diese dezentrale Struktur verlässlich arbeitet und eine sichere Verwertung der Verpackungen gewährleistet – zumal diese regelmäßig über einen positiven Marktwert verfügen. Eine verpflichtende Herstellerorganisation mit unentgeltlicher Rücknahme würde diese gewachsenen Strukturen jedoch aufbrechen. Mit einer solchen Vorgabe entfiele die Möglichkeit für Anfallstellen, individuelle Verträge mit regionalen mittelständischen Entsorgern abzuschließen. Stattdessen würden große überregionale Anbieter, die eine flächendeckende Abdeckung versprechen, den Markt zunehmend dominieren – zum Nachteil des Mittelstands.

Die im Referentenentwurf vorgesehene neue Regelung droht somit eine Entwicklung zu begünstigen, die genau jene Marktverengung fördert, vor der sie eigentlich schützen sollte. An die Stelle eines vielfältigen, leistungsfähigen Wettbewerbs träte ein stark konzentrierter Markt, in dem nur wenige große Konzerne den Ton angeben und Transparenz wie Wettbewerb weiter erodieren. Rehbock: „Es ist aus unserer Sicht nicht erforderlich, das bewährte System zu ändern, denn eine unentgeltliche Rücknahme von gewerblichen Verpackungsabfällen wird in der PPWR gar nicht verlangt.“

Hinzu kommt ein weiterer kritischer Punkt: Einige Herstellerorganisationen bieten bereits selbst Entsorgungsleistungen an. Würde dies auch auf gewerbliche Verpackungen ausgeweitet, bestünde die Gefahr, dass Verwertungsströme und Recyclingquoten mit denen der systembeteiligungspflichtigen Verpackungen vermischt werden – ein Risiko für Transparenz und Nachvollziehbarkeit im gesamten System.

Der bvse warnt: Durch die verpflichtende Herstellerorganisation würden große Unternehmen den Markt übernehmen und mittelständische Betriebe verdrängen. „Dieses Modell führt geradewegs in eine kartellrechtlich problematische Konzentration“, betont Rehbock. „Wir haben in Deutschland gelernt, wie gefährlich zu große Marktanteile weniger Unternehmen sind. Es ist völlig unverständlich, jetzt sehenden Auges ein System zu errichten, das diese Probleme wieder heraufbeschwört.“

Sicherheitsleistungen (§ 15 Abs. 4): Unzureichender Schutz für diejenigen, die das Risiko tragen

Ein wesentlicher Streitpunkt betrifft aus Sicht des Mittelstandes auch die geplanten Sicherheitsleistungen. Diese sollen nach wie vor ausschließlich den Behörden zugutekommen, nicht aber den Entsorgungsunternehmen selbst – obwohl gerade sie im Insolvenzfall eines Systems die unmittelbaren Auswirkungen spüren. Rehbock kritisiert, dass Entsorger im Ernstfall weiterarbeiten müssen, weil sie mehrere Systeme parallel bedienen, aber dennoch keinen Zugriff auf die hinterlegten Sicherheiten hätten. Aus Sicht des Verbandes braucht es hier einen fairen Mechanismus, der auch diejenigen schützt, die das wirtschaftliche Risiko tatsächlich tragen. Eine Forderung, die der bvse seit mehr als 15 Jahren stellt. Jetzt sei eine hervorragende Gelegenheit für eine Änderung, die die mittelständischen Unternehmen stärken würde, betont der bvse-Hauptgeschäftsführer.

Ökomodulation jetzt reformieren – bevor die Recycler aufgeben müssen

Auch die Ökomodulation zählt zu den kritischen Punkten: Angesichts der wirtschaftlichen Lage vieler Kunststoffrecycler hält der bvse eine rasche Reform für zwingend notwendig. Die Existenz der Branche sei bedroht durch niedrige Rezyklatpreise und zweifelhafte Konkurrenz aus dem Ausland. Während andere EU-Länder längst wirksame Anreizsysteme eingeführt hätten, drohe Deutschland hier den Anschluss zu verlieren, denn die deutschen Kunststoffrecyclingunternehmen stehen unter massivem wirtschaftlichem Druck. Neben rückläufiger Nachfrage und sinkenden Erlösen für Rezyklate, belasten die Unternehmen vor allem die hohen Energiepreise. Gleichzeitig steigen die Produktionskosten in nahezu allen Bereichen. Eine Verzögerung wäre aus Sicht des bvse fatal für die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Recyclingwirtschaft.

Angesichts der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage, insbesondere der Kunststoffrecycler, sieht der bvse dringenden politischen Handlungsbedarf. Notwendig ist insbesondere eine zeitnahe Anpassung der Ökomodulation, die durch eine Änderung des § 21 VerpackG umgesetzt werden könnte. Nach Einschätzung des Verbands wäre eine solche Reform auch mit der neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR) vereinbar. Die Erwägungsgründe lassen ausdrücklich zu, dass Mitgliedstaaten bestehende Systeme beibehalten dürfen, sofern diese einen bevorzugten und fairen Zugang zu recycelten Kunststoffen ermöglichen und damit zur Erreichung der Rezyklateinsatzquoten beitragen.

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass entsprechende Schritte möglich und sinnvoll sind: Frankreich hat am 5. September 2025 eine Verordnung verabschiedet, die finanzielle Anreize für Hersteller festlegt, wenn diese recycelte Kunststoffe einsetzen. Besonders interessant sind Regelungen, die den Einsatz von Rezyklaten honorieren, die aus einem Umkreis von bis zu 1.500 Kilometern stammen und den europäischen Anforderungen entsprechen. Auch die Niederlande fördern im Rahmen ihrer Ökomodulation gezielt den Einsatz von Kunststoffrezyklaten. Vor diesem Hintergrund darf die Reform des § 21 VerpackG nicht weiter aufgeschoben werden. Auf die langwierigen europäischen Entscheidungsprozesse zur PPWR zu warten, wäre aus Sicht der Branche keine Option – dafür ist die Lage im deutschen Kunststoffrecycling zu ernst und zu dringlich.

Probleme sieht der bvse zudem bei der geplanten Zuordnung von Verbundverpackungen zum Hauptmaterial. Besonders faserbasierte Verbunde ließen sich weder zuverlässig im Papierstrom, noch in der Leichtverpackung erfassen. Dadurch drohen Qualitätsverluste, Verunreinigungen und zusätzliche Kosten, die letztlich das gesamte System belasten würden.

Rückwirkende Herausgabeansprüche müssen abgeschafft werden

Kritik äußert der bvse auch am § 22 Absatz 4 des Referentenentwurfes, der rückwirkende Herausgabeansprüche der Systeme vorsieht. Nach Ansicht des Verbandes sollten Herausgabeansprüche jedoch beschränkt und nicht rückwirkend geltend gemacht werden können. Die rückwirkende Herausgabe erzeuge nämlich große Probleme bei den Drittbeauftragten, so der bvse. Soll Material aus Vormonaten ausgeliefert werden, ist dies oft bereits vermarktet und schlichtweg nicht mehr da. Im schlechtesten Fall müsse zusätzliches Material für die Herausgabe eingekauft werden. Eine Herausgabe verändert die zur Vermarktung zur Verfügung stehende Menge wesentlich. Herausgabeansprüche sollten daher bereits zum Vergabezeitpunkt für die ganze Vertragslaufzeit festgeschrieben werden.

Brauchen wir eine Organisation für Reduzierung- und Präventionsmaßnahmen?

Im vorliegenden Gesetzentwurf wird die Gründung und Finanzierung einer Organisation für Reduzierung- und Präventionsmaßnahmen vorgeschrieben. Nach Ansicht des bvse geht der vorliegende Vorschlag in die völlig falsche Richtung. Er würde zusätzliche Bürokratie schaffen und die Hersteller mit unverhältnismäßig hohen Kosten belasten – ohne erkennbaren Mehrwert. Eine derartige Organisation ist in der PPWR nicht vorgesehen. Statt tatsächliche Verbesserungen zu erzielen, würden die entstehenden Kosten letztlich entlang der gesamten Wertschöpfungskette – bis hin zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern – weitergereicht. Für Deutschland bedeute dies erneut höhere Kosten im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten und damit Wettbewerbsnachteile.

Hinzu kommt: Die geforderten 5 Euro pro Tonne wirken sich je nach Stoffstrom sehr unterschiedlich aus. Während manche Bereiche kaum betroffen wären, würden andere überproportional belastet. Besonders deutlich wird dies am Beispiel Glas: Die pauschale Abgabe würde Glasverpackungen spürbar verteuern und so Marktverwerfungen begünstigen.

Statt ein weiteres kostenintensives bürokratisches Konstrukt zu schaffen, sollten die in der PPWR vorgesehenen Reduzierungs- und Präventionsmaßnahmen innerhalb der bestehenden Ökomodulation berücksichtigt werden. Herstellern könnte auferlegt werden, entsprechende Maßnahmen nachzuweisen – ein zusätzlicher Verwaltungsapparat ist dafür jedoch nicht erforderlich.

bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock kritisiert: „Deutschland macht sich Gedanken darüber schlanker, effizienter zu werden, um Bürokratie abzubauen, aber das Bundesumweltministerium will eine neue Behörde schaffen, die niemand braucht. Das kann nicht wahr sein!“

Recyclingquoten (§ 33 Abs. 2): Zwischen Realismus und Überforderung

Auch die geplanten Recyclingquoten stehen in der Kritik. Der bvse fordert eine vorgezogene Einführung der Kunststoffquote als Baustein, um geeignete Rahmenbedingungen für das Kunststoffrecycling zu schaffen. Dagegen hält er die Glasquote von 90 Prozent für unrealistisch. Ein beträchtlicher Teil der Glasverpackungen lande bisher im Restmüll; außerdem werde das Netz der Glascontainer aus verschiedenen Gründen ausgedünnt. Die Quote sei in der vorgesehenen Form schlicht nicht erreichbar.

Schließlich verweist der Verband auf Risiken in der Governance der Zentralen Stelle. Durch zusätzliche Herstellerorganisationen verschiebe sich die Machtbalance zulasten der Entsorgungswirtschaft. Um faire Entscheidungsstrukturen zu gewährleisten, fordert der bvse eine stärkere Vertretung der mittelständischen Entsorger mit einem ständigen Sitz im Verwaltungsrat.

Quelle: bvse
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