VDZ-Studie zu Anforderungen an eine CO₂-Transportinfrastruktur in Deutschland

Bei der Dekarbonisierung der Zement- und Kalkindustrie sowie der Abfallverbrennung führt wegen des hohen Anteils unvermeidbarer CO₂-Emissionen kein Weg an einer CO₂-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung vorbei.
Foto nach: Julia Schwab; pixabay.com

„Der Aufbau einer CO₂-Infrastruktur in Deutschland ist für diese Branchen essenziell“, so Christian Knell, Präsident des Vereins Deutscher Zementwerke (VDZ). Und die Zeit drängt: Zementhersteller und andere Branchen im EU-Emissionshandel müssen bereits bis 2040 weitgehend klimaneutral produzieren. „Dafür brauchen die Unternehmen ein CO₂-Pipelinenetz bis spätestens 2035“, so Knell weiter. In einer Studie hat der VDZ untersucht, wie ein deutsches CO₂-Leitungsnetz aussehen kann und welche Anforderungen sich an die CO₂-Infrastruktur ergeben.

Mit der Studie „Anforderungen an eine CO₂-Infrastruktur in Deutschland – Voraussetzungen für Klimaneutralität in den Sektoren Zement, Kalk und Abfallverbrennung“ stellt der VDZ die zu erwartenden unvermeidbaren CO₂-Emissionen dar und analysiert, wie sich der kurz-, mittel- und langfristige CO₂-Transportbedarf in den drei Sektoren entwickelt und wie eine CO₂-Infrastruktur ausgestaltet werden sollte.

Entscheidend für den Transportbedarf ist die zeitliche Entwicklung der CO₂-Abscheidung. „Viele Zementhersteller stehen in den Startlöchern mit ihren CO2-Abscheideprojekten – was fehlt, ist der nationale Rechtsrahmen und eine geeignete Transportinfrastruktur“, unterstreicht VDZ-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Schneider.

Im zentralen Szenario der Studie ergibt sich für Klimaneutralität in den drei betrachteten Sektoren ein jährlicher CO₂-Transportbedarf von 6,5 Mio. t 2030, ca. 13 Mio. t 2035 sowie rund 35 Mio. t 2040. Die Gesamtmenge erhöht sich bis 2045 auf 46 Mio. t, weil darüber hinaus der biogene CO₂-Anteil abgeschieden wird, sodass letztlich sogar negative Emissionen erreicht werden. Zusätzliche Mengen für den Transit aus den Nachbarländern Österreich, Schweiz und Frankreich müssen zudem ab 2035 in Höhe von 15 bis 20 Mio. t CO₂ pro Jahr berücksichtigt werden.

Durch den raschen Aufbau eines CO₂-Pipelinenetzes bis spätestens 2035 sind kumuliert über 20 Jahre in den betrachteten Sektoren CO₂-Einsparungen von rund 500 Mio. t CO₂ möglich. Bemerkenswert ist, dass bei einem deutlich verzögerten Start des Pipelinetransports nur noch kumulierte Einsparungen von ca. 230 Mio. t CO₂ realisierbar wären. In diesem Fall würden rund 270 Mio. t CO₂ zusätzlich in die Atmosphäre gelangen und die Klimaneutralität 2045 würde nicht erreicht.
Aus der Analyse wird deutlich, dass mittel- und langfristig der Großteil des CO₂-Transports angesichts der zu erwartenden Mengen per Pipeline erfolgen muss. „Der frühzeitige Aufbau eines CO₂-Pipelinenetzes ist dafür entscheidend. Hierzu gibt es erste Projektankündigungen von Netzbetreibern, auf deren Basis die vorliegende Studie eine Perspektive für ein deutschlandweites CO₂-Netz aufzeigt“, erläutert Manuel Mohr, Projektleiter der Studie im VDZ. In bestimmten Fällen werden aber auch der Zug und ggf. das Schiff eine relevante Rolle spielen, wie die betrachteten Szenarien zeigen.

Dabei ergeben sich für jede der Transportoptionen unterschiedliche technische Anforderungen, die sich unmittelbar auf die Wirtschaftlichkeit der Transportkette auswirken. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die rechtzeitige Anbindung der Standorte an die CO₂-Infrastruktur. Besonders beim Schienen- und Schiffstransport sind zudem erhebliche Investitionen in die Verladeinfrastruktur an den Standorten erforderlich.

Für die schnelle zeitliche Entwicklung der CO₂-Abscheidung ist neben dem CO₂-Transport die erforderliche Kapazität von CO₂-Senken eine maßgebliche Größe. Derzeit werden zahlreiche Speicherprojekte im europäischen Ausland geplant und entwickelt, sodass aktuell mit signifikanten Speicherkapazitäten ab den 2030er-Jahren zu rechnen sein dürfte – vorausgesetzt, diese werden wie geplant umgesetzt. „Auch Deutschland ist hier gefragt, zum Aufbau einer europäischen Speicherinfrastruktur beizutragen und Verantwortung für die eigenen CO₂-Emissionen zu übernehmen. Der Entwurf des Kohlendioxid-Speicherungs-und-Transport-Gesetzes (KSpTG) ist hier vielversprechend, weil er die Offshore-Speicherung in Deutschland und den Pipelinetransport ermöglichen soll“, so Schneider.

Die VDZ-Studie schätzt den Investitionsbedarf für den Aufbau des ermittelten deutschen CO₂-Leitungsnetzes mit einer Länge von 4.800 km auf rund 14 Mrd. Euro. Hieraus ergeben sich rechnerisch Kosten für den Pipelinetransport von 25 bis 35 Euro/t CO₂. Für den CO₂-Transport per Schiene für Entfernungen von mehr als 500 km werden Kosten von 35 bis 60 Euro/t CO₂ erwartet. Bei geringeren Transportdistanzen können diese auch niedriger ausfallen.

Zusätzlich zum Aufbau der Infrastruktur wird auch der Energiebedarf betrachtet. „Die CO₂-Abscheidung ist in der Regel sehr stromintensiv. Deshalb wird der Bedarf an erneuerbarer Energie für eine klimaneutrale Zement- und Kalkherstellung auf fast das Vierfache des heutigen Niveaus steigen – von 4,7 TWh auf rund 17 TWh in 2045“, betont Schneider. Der thermische Energiebedarf in den drei Sektoren steigt um knapp 100.000 TJ bzw. 20 % gegenüber dem Status quo.

„Der Aufbau einer CO₂-Infrastruktur ist aber nicht nur eine technische Herausforderung. Entscheidende Voraussetzungen sind vor allen Dingen die gesellschaftliche und politische Unterstützung sowie der notwendige Rechtsrahmen für eine schnelle Umsetzung. Dieser muss spätestens bis Ende 2024 stehen, wenn die Projekte zur CO₂-Abscheidung in den Branchen wie geplant umgesetzt werden sollen“, unterstreicht VDZ-Präsident Knell.

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