Rückgewinnung von Bindemitteln aus Holzwolleplatten

Knauf AMF hat ein Verfahren zur Rückgewinnung von Bindemitteln aus Holzwolleplatten entwickelt und damit den Abfallwirtschaftspreis „Phönix 2018“ des Österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus gewonnen.
Bild: Knauf AMF

Mit der neuen Rekalzinierungsanlage am Standort Ferndorf (Österreich) will Knauf AMF 4.000 Tonnen Produktionsrückstände aus der Holzwolleplattenfertigung pro Jahr wieder in den Herstellungsprozess zurückführen. Damit sollen rund 4.000 Tonnen CO2 eingespart und zugleich die eigene Energieversorgung unterstützt werden.

Bisher wurde das Material auf der betriebseigenen Deponie gelagert. Um das Bindemittel Magnesit zurückgewinnen zu können, wurde zunächst im eigenen Labor ein Plattenstück in einem Muffelofen bei niedriger Temperatur verbrannt. „Wir stellten fest, dass die Rückstände reaktiv und als Bindemittel grundsätzlich tauglich waren“, so die erste Erkenntnis von Werksleiter Harald Oberscheider. Das Umkehrprinzip des Herstellungsprozesses, bei dem Magnesit (Kauster) der Holzwolle-Masse als Bindemittel zugeführt wird, funktionierte grundsätzlich. Nächster notwendiger Schritt waren Tests und Nachweise in größerem und wissenschaftlichem Rahmen. Hierzu wandte sich das Team aus Ferndorf an die Montan-Universität Leoben, die ihr Know-how in der Verbrennungstechnik und ihre Ausstattung an geeignetem Versuchsequipment zur Verfügung stellte. Oberscheider: „Damit begann 2013 eine mehrjährige Zusammenarbeit. Unsere Produktreste wurden mit Wirbelschichtöfen und Drehrohröfen in Versuchsformaten rekalziniert. Dabei gelang es, etliche Kilogramm Recycling-Bindemittel zu gewinnen. Damit haben wir Laborplatten hergestellt, die nach umfangreichen Qualitätsanalysen die gleich gute Qualität aufwiesen wie normal produzierte Standardplatten.“ Während dieser Entwicklungszeit fiel dann die Entscheidung, für das Rekalzinierungsverfahren einen modifizierten Drehrohrofen zu verwenden.

Erfolgreiche Großversuche
Im weiteren Verlauf der Entwicklung spielte das Knauf Werk Niederaußem in Bergheim-Auenheim (NRW) eine zentrale Rolle, eine von vier Produktionsstätten für Bindemittel der Knauf-Gruppe. Zwischen Oktober 2014 und Juli 2015 hatte das Team aus Ferndorf am dortigen Drehrohrofen die Gelegenheit, eine Testreihe in größerem Umfang durchzuführen. Die Montanuniversität Leoben übernahm die Analyse der Abgasmessungen bei diesen Versuchen, was später für die Auslegung des Prototyp-Drehrohrofens sehr hilfreich war. In den Großversuchen wurde rund eine Tonne Bindemittel (Magnesiumoxid MgO und Magnesiumsulfat MgSO4) gewonnen und als so genannter Knauf Sekundär Kauster (KSK) wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt. So entstanden mit dem Recycling-Bindemittel mehrere 100 Quadratmeter Heradesign-Platten. Dabei wurden verschiedene Mischverhältnisse von KSK zu Standard-Kauster getestet, welche alle technisch funktionierten (auch mit 100 Prozent KSK). Die größte Produktionsmenge wurde mit der Zielvariante 40 Prozent KSK und 60 Prozent Standard-Kauster hergestellt. Die Auswertung der Qualitätsprüfungen ergab wie schon in den allerersten Analysen, dass die Platten mit dem Rekalzinat (KSK) gleich gute Qualität aufwiesen wie jene aus der Standardproduktion.

Langwieriges Genehmigungsverfahren
„Mit diesen Ergebnissen konnten wir nun die Planung für den Prototyp des Drehrohrofens angehen und parallel den Genehmigungsprozess einleiten“, erläutert Oberscheider. Es folgte eine langwierige und schwierige Phase der Auseinandersetzung mit den Behörden. Im Zentrum des Verfahrens stand dabei unter anderem die Bewertung der Produktionsrückstände. Schließlich gelang es im November 2016, den behördlichen Genehmigungsbescheid zu erhalten. Das gesamte Projekt firmiert derzeit formaljuristisch gesehen noch als Versuchsprinzip. Da die hier eingesetzte Technologie und das Verfahren weltweit einzigartig sind, genießt die Rekalzinierungsanlage einen besonderen Status.

Drehrohrofen „heizt sich selbst“
Im ersten Halbjahr 2017 waren alle wesentlichen Bestellungen für die Anlage abgeschlossen, im Sommer konnte mit der Installation des Prototyps begonnen werden. Der modifizierte Drehrohrofen wurde von der Kärntner Maschinenfabrik gebaut, weitere Lieferanten für die Anlage waren bewährte Partner der Knauf-Gruppe. Im September 2017 wurde der riesige Ofen geliefert. „Als Besonderheit muss man erwähnen, dass wir sogar Anlagen-Recycling betrieben und Komponenten der 2009 stillgelegten Steinwolle-Produktion in die Rekalzinierungsanlage eingebaut haben“, erläutert Michael Pehr, der als technischer Projektleiter die komplette Planung und Umsetzung vor Ort verantwortet. Angestrebt wird ein energetisch weitgehend autarker Betrieb des Drehrohrofens. Nach dem Aufheizen mit Erdgas wird bei rund 500° C das zu recycelnde Plattenmaterial zugeführt, danach heizt sich die Anlage sozusagen selbst. Die notwendige Wärme für die Aufrechterhaltung des Prozesses liefert allein das Holz, das im Recyclingmaterial enthalten ist und dessen Energieanteil durch einen Wärmetauscher dem Prozess wieder zugeführt wird. Inzwischen wurde auf dem Werksgelände ein Zwischenlager mit 12.000 Tonnen für die Produktionsrückstände, Minderqualitäten und Verschnitt eingerichtet.

4.000 Tonnen weniger CO2
Seit März 2018 arbeitet die weltweit erste Rekalzinierungsanlage dieser Art, der Vollbetrieb soll ab Juli dieses Jahres laufen. Harald Oberscheider: „Für die Heradesign-Produktion benötigen wir im Jahr mehrere Tausend Tonnen Magnesit, das normalerweise bergmännisch recht aufwändig abgebaut und aufbereitet werden muss. 40 Prozent davon werden wir mit der neuen Anlage nun selbst produzieren.“ Das zu rekalzinierende Material enthält MgSO4, weshalb durch die thermische Behandlung SO2 entstehen kann. Da die Abgase aber MgO enthalten, kann durch das Einbringen von Wassernebel mittels Quenche das SO2 wieder in MgSO4 umgewandelt werden. Dieses wird wiederum gefiltert und in die Produktion zurückgeführt.

Insgesamt senkt Knauf AMF mit der neuen Rekalzinierungsanlage nicht nur die eigenen Kosten für den Bindemittelzukauf, sondern leistet auch einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz. Denn bei der (energieintensiven) Herstellung von einer Tonne Magnesit entsteht eine Tonne CO2. Das ergibt pro Jahr also eine Ersparnis von 4.000 Tonnen CO2. Zusätzlich fallen durch das Vermeiden der Materialtransporte von der Produktionsstätte zur Deponie pro Jahr über 600 Lkw-Fuhren weniger an.

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