Schuldenkrise belastet die Stahlkonjunktur

„Die Stahlkonjunktur hat sich in den letzten Wochen vor allem als Folge der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum eingetrübt.“ Mit diesen Worten umreißt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, die aktuelle Situation der Stahlindustrie. Die Auftragseingänge hätten sich – entgegen dem normalen zyklischen Verlaufsmuster – nach der Sommerpause nicht wiederbelebt. Sie lagen zwar im dritten Quartal mit 8,76 Millionen Tonnen in etwa auf Vorjahreshöhe, so Kerkhoff, im September seien sie allerdings im Vergleich zum Vorjahr um 6 Prozent zurückgegangen.

Die Auftragsbestände seien seit Mitte des Jahres rückläufig und gegenüber dem zweiten Quartal um 6 Prozent gefallen. Sie überstiegen den Vorjahreszeitraum allerdings noch um 8 Prozent. „Als Folge dieser Entwicklung wird die Rohstahlproduktion aller Voraussicht nach 2011 unterhalb der Prognose von 45,5 Millionen Tonnen auskommen“, erklärt der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Die Menge des Jahres 2010 in Höhe von 43,8 Millionen Tonnen werde aber übertroffen.

Die Stahlindustrie, die am Beginn der Wertschöpfungskette stehe, spüre die Folgen der Unsicherheit auf den Märkten, die in Zusammenhang mit der sich immer wieder neu zuspitzenden Staatsschuldenkrise entstanden ist, mit als Erste. Übertragungsmechanismus sei ein ungewöhnlich ausgeprägter Lagerzyklus: Stahleinkäufer warten laut Kerkhoff zunächst einmal ab, um zu sehen, wie sich die Konjunktur in den kommenden Monaten entwickelt und decken ihren Bedarf aus den Lägern. Auch wollten sie vermeiden, mit überhöhten Lagerbeständen in eine mögliche Rezession hineinzugehen, wie es 2008 der Fall gewesen sei.

Konjunktur bei Stahlverarbeitern schaltet einen Gang zurück

„Der Stahlbedarf ist jedoch weiterhin vorhanden“, betont der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Darauf deuteten zum einen die Konjunkturumfragen hin: Die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage im ifo-Konjunkturtest des Münchner Konjunkturforschungsinstituts werde in den wichtigsten Abnehmerbranchen bis in den Oktober hinein als sehr gut eingestuft. Zwar ließen in der Tendenz die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe nach. Die Auftragsbestände seien aber in den Kernbranchen noch immer sehr hoch. Die Auftragseingänge im Maschinenbau wie auch die Produktion in der Automobilindustrie für den Berichtsmonat September sprächen dafür, dass die Konjunktur bei den Stahlverarbeitern einen Gang zurückschalte, sich aber unverändert in solider Verfassung befinde.

Zum zweiten verlaufe der Lagerabsatz im Stahl-Distributionssektor, der mit dem realen Stahlbedarf eng korreliert, weiterhin sehr lebhaft: Im September habe der Walzstahlabsatz bei Stahlhändlern und Stahl-Service-Centern den siebten Monat in Folge über der 1-Millionen-Tonnen-Grenze gelegen. Der Vorjahreswert sei um 8 Prozent übertroffen worden.

Klar sei aber auch: „Je länger die durch die Euro-Krise ausgelöste allgemeine Verunsicherung andauert, desto größer ist die Gefahr, dass die bislang intakte Realwirtschaft – das ist in Deutschland im Wesentlichen die Industrie, die den bisherigen Aufschwung zu zwei Dritteln getragen hat – von den Turbulenzen auf den Finanzmärkten ‚angesteckt’ wird“, warnt der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. „Wir gehen jedoch – im Einklang mit dem Herbstgutachten der führenden Forschungsinstitute in Deutschland – weiter davon aus, dass es der Politik gelingt, in den nächsten Wochen die Schuldenkrise schrittweise zu entschärfen und das Vertrauen auf den Märkten wiederherzustellen.“ Eine Rezession in Deutschland könnte so vermieden werden und die Investitionsgüterkonjunktur rasch wieder Fahrt aufnehmen. Die Stahlkonjunktur dürfte davon dann als Erste profitieren.

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