Am EU-Projekt „Next generation urban mining – Automated disassembly, separation and recovery of valuable materials from electronic equipment“ (Adir) sind das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (Fraunhofer ILT) und acht Projektpartner aus drei Ländern beteiligt. Besonderes Augenmerk des Recyclingkonzepts liegt auf den Elementen Tantal, Neodym, Wolfram, Kobalt und Gallium. Die Arbeitsweise des Recyclingkonzepts stellte das Projektkonsortium auf der Berliner Recycling- und Sekundärrohstoffkonferenz 2020 und dem Mineral Recycling Forum 2020 anhand von rund 1.000 zerlegten Mobiltelefonen und über 800 Leiterplatten vor.
Inspiriert vom Urban Mining
Hier kommt Urban Mining ins Spiel. Von dem Trend ließen sich Prof. Reinhard Noll und Dr. Cord Fricke-Begemann vom Fraunhofer ILT zu einem neuen Recyclingansatz inspirieren: Zusammen mit den Adir-Projektpartnern entwickelten sie ein Konzept für die Verarbeitung typischer Leiterplatten aus Computern und für ausrangierte Handys. Unterstützt wurden sie bei den F-&-E-Arbeiten zur Robotik vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (Fraunhofer IFF) aus Magdeburg.
Im Mittelpunkt stehen automatisierbare flexible Prozesse, mit denen sich Elektronikgeräte am Ende ihrer Nutzungsdauer in ihre Einzelteile zerlegen lassen. In einer Demontageanlage arbeiten dazu Lasertechnik, Robotik, Visionsysteme und Informationstechnologie in intelligenter Weise zusammen. Eine Hauptrolle spielen Laser, die unter anderem Inhaltsstoffe identifizieren, Bauelemente berührungslos entlöten oder ausschneiden. Damit lassen sich strategisch bedeutsame Wertstoffe mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung im industriellen Maßstab effizient recyceln.
Die Resonanz beim Fachpublikum auf zahlreichen Veranstaltungen fiel sehr positiv aus. Dazu zählten nach Projektende im März 2020 auch die Teilnehmer der Berliner Recycling- und Sekundärrohstoffkonferenz und des Mineral Recycling Forums in Aachen. „Das Interesse der Experten war sehr groß“, berichtet Projektleiter Fricke-Begemann. „Diese gute Resonanz motivierte auch die Projektpartner aus der Industrie.“ Einer von ihnen ist das Unternehmen Electrocycling, das seit Ende 2018 das Adir-Verfahren in Feldtests erprobt und für den industriellen Einsatz validiert. Es zeigte mit einem Demonstrator, dass sich zum Beispiel durch Kombination der verschiedenen Techniken erhebliche Mengen winziger Kondensatoren aus der Elektronik herauspicken lassen, um aus ihnen wertvolles Tantal zurückzugewinnen. Diese Aufgabe übernahm das Unternehmen H.C. Starck Tantalum & Niobium, das sich auch am Adir-Projekt beteiligte.
Hohe Recyclingquote bei Tantal
„Wir haben in dem Projekt rund 1.000 Handys und über 800 große Computerplatinen zerlegt, aus denen wir einige Kilogramm an Bauteilen zur Weiterverwertung erhielten“, erklärt der Projektleiter. „Tantal ließ sich zu 96 bis 98 Prozent zurückgewinnen.“ Das Beispiel zeige, dass sich viele der in der Elektronik enthaltenen wichtigen Wertstoffe wie gewünscht effizient herausholen lassen – und zwar in einem neuartigen Sekundärrohstoff mit einem hohen Wertstoffgehalt, der deutlich höher als etwa die Tantal-Erz-Konzentrate der Rohstoffzulieferer ausfällt.
Das vorwettbewerbliche Forschungsprojekt sei nun abgeschlossen, heißt es; die wirtschaftliche Machbarkeit habe das Team mit dem Demonstrator bewiesen. „Dank der gewonnenen Erkenntnisse ließe sich nun bereits ein Teil der Prozesskette realisieren“, sagt Noll. „Dazu zählen die Inspektion der Leiterplatten sowie das Entlöten und Entnehmen der Komponenten.“ Allerdings bestehe noch Verbesserungspotenzial etwa bei der Automatisierung, die zur Beschleunigung der Prozesse führen kann. Dazu sollen auch die ersten Erfahrungen über das automatische Öffnen und Zerlegen von Mobiltelefonen beitragen, die in einer Datenbank gesammelt wurden. Mit diesen Daten können Mitarbeiter eine Recyclingmaschine auf neue Mobiltelefonmodelle anlernen.
Diese Argumente kommen in der Industrie laut Projektteam an: Erste Partner für die Realisierung gebe es bereits, weitere werden noch gesucht. Doch nicht nur der effizientere Umgang mit Rohstoffen spricht aus Sicht der Beteiligten für das Konzept: In Deutschland könnte die Abhängigkeit von Rohstofflieferungen aus anderen Regionen sinken und sich neue Chancen für Technologien der inversen Produktion zum Schließen von Werkstoffkreisläufen ergeben.
Die Adir-Projektpartner zum Projektabschluss:
- Fraunhofer-Institut für Lasertechnik, Aachen (Projektkoordination)
- Aurubis, Hamburg
- Electrocycling, Goslar
- Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, Magdeburg
- H.C. Starck Tantalum and Niobium, Goslar
- Instytut Metali Nieżelaznych, Gliwice (Polen)
- Laser Analytical Systems & Automation, Aachen
- OSAI, Parella (Italien)
- Tre Tau Engineering, Turin (Italien)