Durch den globalen Boom der Elektromobilität und der erneuerbaren Energien ist die Nachfrage nach Lithium in den letzten Jahren rasant gestiegen. Australien, Chile, USA und China sind wichtige Förderer des wertvollen Rohstoffs und prägen den internationalen Markt. Natrium wird Lithium nicht vollständig ersetzen können, aber eine strategisch wichtige Rolle in bestimmten Märkten und Anwendungen übernehmen – besonders dort, wo Kosten, Nachhaltigkeit und Materialverfügbarkeit entscheidend sind. Deutschland könnte im Konzert der Rohstoffländer eine entscheidende Rolle spielen, wenn Recyclingtechnologien größere politische Bedeutung erlangen würden.
Für eine nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung in der Zukunft ist Lithium unerlässlich. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Europäische Kommission im Rahmen des CMRA-Rechtsakts bei der Auswahl wichtiger strategischer Rohsto3e von 47 Projekten auch 22 zur Lithiumgewinnung identifiziert hat. Was Deutschland angeht, ist bisher kein Lithiumrecyclingprojekt identifiziert. Dies muss sich schnellstmöglich ändern. Mitten im Ruhrgebiet hat ein mittelständisches Unternehmen (Accurec Recycling, Krefeld) eine hochinnovative Technologie entwickelt, die es ermöglicht, Lithiumcarbonat abzutrennen und in hochreiner Form (99,9%) wieder für neue Akkus zur Verfügung zu stellen. Accurec gehört deshalb im Kern zu den strategisch relevanten Unternehmen, die einen wichtigen Beitrag zur Rohstoffunabhängigkeit leisten.
Mit dem Critical Raw Materials Act strebt die EU an, 10 % des eigenen Ressourcenbedarfs bis 2030 aus heimischem Abbau zu decken, 40 % in der EU zu verarbeiten und 25 % zu recyceln. Der EU-Agentur EIT Raw Materials4 zufolge sollen dafür über 10 Mrd. € in Exploration, Abbau und Recycling investiert werden – mit Potential bis zu 100 Mrd. €. In Europa wird die Lithium-Nachfrage in den kommenden Jahren stark steigen, vor allem getrieben von E-Mobilität-und Energiespeicherung. Der voraussichtliche Bedarf der EU liegt bei ca. 400 000 t Lithiumcarbonat-Äquivalente (LCE)5 pro Jahr – nur etwa 25–35 % davon könnten bis 2030 durch heimische Förderprojekte gedeckt werden. Prognosen zeigen, dass bis 2030 nur etwa 135 000 t aus europäischen Minen bereitstehen – eine Lücke von fast 265 000 t. Wenn weder die heimische Produktion noch das Recycling stark steigen, wird Europa weiterhin auf Importe aus Australien, Chile und China angewiesen sein. Was muss passieren, um die Versorgungslücke durch Recyclingaktivitäten zu decken?
Bei der Sammelquote – also der verfügbaren Menge fürs Recycling – ist noch viel Luft nach oben. aut EPBA (European Portable Battery Association) lag die EU-Sammelquote 2022 nur bei 46,1 %. Mehr als die Hälfte der auf dem Markt befindlichen Li-Ionen-Akkus stehen demnach für das Recycling nicht zur Verfügung, weil sie nicht erfasst wurden. Mit der neuen Batterieverordnung wurden ambitioniertere Sammelziele festgelegt: bis 2027 sollen 63 % der tragbaren Gerätebatterien gesammelt werden, bis Ende 2030 liegt die Zielvorgabe bei 73 %. Falls die Berechnungsbasis für Sammelziele wird auf „available for collection“ umgestellt wird, werden auch zukünftig die Quoten ihr ihrer Ambitioniertheit auf einem ähnlichen Niveau wie heute verharren. Und solange der Vollzug und damit auch die Einhaltung der Quoten der Batterieregulierung als auch der Elektro- und Elektronikschrottrücknahme nicht funktioniert, ist mittelfristig keine Besserung in Sicht.
Auch der Hochlauf der Recyclingkapazitäten lässt auf sich warten, zahlreiche angekündigte Investitionen wurden nicht getätigt oder der Betrieb vorzeitig wieder eingestellt. Die Ursachen sind vielschichtig:
1. Wirtschaftliche Gründe:
- Hohe Investitionskosten: Der Aufbau von Lithium-Recyclinganlagen ist teuer (Anlagentechnik, Abfalllogistik, Sicherheitskonzepte).
- Volatile Rohstoffpreise: Der Preis für Lithium und andere Batteriemetalle schwankt stark. Ist der Preis niedrig, sinkt der Anreiz zum Recycling.
- Fehlen von Mengen: Das „Second Life“ oder Wiedernutzung von Batterien verzögert den Rückfluss von Altbatterien, insbesondere bei E-Fahrzeugen.
2. Technologische Herausforderungen
- Komplexität der Batterien: Moderne Lithium-Ionen-Batterien sind schwer zu demontieren und bestehen aus komplexen Materialmischungen.
- Fehlen von Standards: uneinheitliche Designs und unterschiedliche chemische Zusammensetzung führen zu hohem Sortier- und Trennaufwand.
- Geringe Recyclingquote für Lithium: Das Lithium zurückzugewinnen ist besonders energie- und kostenintensiv.
3. Regulatorische Unsicherheit
- Fehlen klarer Regeln und fehlender Vollzug: In vielen Ländern wurden erst spät verbindliche Recyclingquoten und Richtlinien festgelegt, bestehende Regelungen werden nicht überwacht.
- Genehmigungsverfahren: Aufbau und Betrieb von Recyclinganlagen sind an strenge umweltrechtliche Auflagen geknüpft.
4. Marktseitige Unsicherheiten
- Fehlen eines Level-Playing-Fields: niedrige Umweltstandards außerhalb der EU gefährden Investitionen innerhalb der EU
- Immer noch legaler Export: wenn weiterhin das Zwischenprodukt Schwarzmasse nach Südostasien exportiert werden darf wird keine Investition stattfinden
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass massive Unterstützung (politisch/finanziell) der EU-Kommission als auch der EU-Mitgliedstaaten notwendig ist, um die Herausforderungen einer rohstoffresilienten Wirtschaft meistern zu können. Einzelne Leuchttürme wie die Lithiumrückgewinnung bei Accurec Recycling mitten im Ruhrgebiet machen Mut und geben Anlass für Optimismus, dass mit viel unternehmerischen Eifer, privatem Kapital und Ingenieurwissen auch hierzulande etwas „Großes“ entstehen kann. Um die Importabhängigkeit Deutschlands beim strategischen Rohstoff Lithium zu verringern, gilt es, solche Hidden Champions mit innovativen Recyclingverfahren gezielt zu identifizieren und zu fördern.