Vom 13. bis 17. Mai 2024 findet auf dem Münchner Messegelände die nächste IFAT statt. Für die Kreislaufwirtschaftsbranche fallen die Vorbereitungen auf die Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft in eine wirtschaftlich höchst angespannte Phase. Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse, berichtet: „Bei Altpapier und Schrott erleben wir geringere Sammelmengen, eine nachlassende Nachfrage, steigende Lagermengen und sinkende Preise. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Kunststoffbereich – hier tobt ein brutaler Preiskampf zwischen Neuware und Rezyklaten.“ Auch die Entsorgungsbetriebe mit ihrem hohen Transportaufkommen und der aufwändigen Anlagentechnik stünden wegen der massiv gestiegenen Preise für Energie, Maut, Ersatzteile und Wartungsarbeiten unter einem enormen Kostendruck.
Gemeinsam aus der Rezession
„Um die Krise als Chance zu verstehen, muss die Recycling- und Entsorgungsbranche jetzt alle Anstrengungen auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft ausrichten. Das bedeutet auch, dass wir unsere Recyclinganlagen, Fahrzeugparks und Arbeitsprozesse – wo immer das noch möglich ist – verstärkt auf Effizienz und Qualität trimmen müssen“, betont Rehbock. Nach seinen Erfahrungen bringt die IFAT ein breites Spektrum von Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Forschung zusammen. „Das ist jetzt genau die Mischung, die wir brauchen, um uns aus der Rezession wieder herauszuarbeiten“, zeigt sich der Verbandschef überzeugt und ergänzt: „Auch der bvse engagiert sich in diesem Sinne und wird in München auf seinem großen Gemeinschaftsstand viele interessante Unternehmen und Ideen präsentieren.“
Substanzielle Fortschritte beim chemischen Recycling
Was das Kunststoffrecycling angeht, sieht Plastics Europe Deutschland aktuell sehr viel Bewegung in der Branche. Hauptgeschäftsführer Ingemar Bühler: „Wir beobachten deutliche Weiterentwicklungen bei den mechanischen Verfahren sowie substanzielle Fortschritte beim chemischen Recycling für wesentlich bessere Ausbeuten bei niedrigerem Energieeinsatz.“ Nach seiner Wahrnehmung werden die Verfahren kontinuierlich leistungsfähiger und ergänzen sich.
Auch der VDMA wird auf der international führenden Umwelttechnologiemesse aktuelle Möglichkeiten zur Kreislaufführung von Kunststoffen zeigen. Die von ihm verantwortete Spotlight Area mit dem Schwerpunkt Chemisches Recycling schickt die Besucherinnen und Besucher auf einen Rundgang durch die Welt des Recyclings – vom Sammeln und Sortieren bis hin zum neuen Produkt. „In den vergangenen Jahren hat das Recycling in Europa stark zugenommen. Dass in der EU aktuell 32,5 Prozent der erzeugten Kunststoffe recycelt werden können, in Deutschland sogar über 35 Prozent, liegt vor allem an modernster Abfall- und Recyclingtechnologie. Aber wir haben noch Potenziale, die es auszuschöpfen gilt“, analysiert Dr. Sarah Brückner, Geschäftsführerin des VDMA-Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik, die aktuelle Situation. „Über 42 Prozent der Kunststoffabfälle werden heute weiterhin energetisch verwertet, da die Kunststoffarten miteinander verbunden oder stark verunreinigt sind“, gibt Richard Clemens zu bedenken. Der Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Verfahrenstechnische Maschinen und Apparate fährt fort: „Hier kann chemisches Recycling – in Ergänzung zum mechanischen – helfen, diese Lücke zu schließen, um das Material noch besser im Kreislauf zu halten.“ Auf der Fläche in Halle B4 widmet sich der Verband zudem einem der größten Sorgen des Maschinen- und Anlagenbau: dem Fachkräftemangel.
Im Freigelände wird ferner der VDMA-Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik zwei Live-Demonstrations-Formate präsentieren: Bei den VDMA Praxistagen werden mobile Großmaschinen zur Aufbereitung von Biomasse vorgeführt, während die VDMA Crushing Zone Lösungen zum Rückbau und dem Recycling von Bau- und Abbruchabfällen präsentiert. Umrahmt wird das Angebot vom neuen VDMA Pavillon.
Trendthema Circularity for E-Mobility
Nicht erst seit dem Inkrafttreten der EU-Batterieverordnung im August 2023 blicken der BDE und seine Mitgliedsunternehmen mit Spannung auf die Auswirkungen dieser Regelung auf die Herstellung und Nutzung sowie das Recycling von Batteriesystemen für die Elektromobilität. „Ob und wie hier ambitionierte Quoten im Recycling und beim Wiedereinsatz von Rezyklaten in den Produkten zu erreichen sind, entscheidet sich jetzt“, erklärt BDE-Präsident Peter Kurth. Dabei müsse ein gutes Zusammenwirken zwischen Produktion und Recycling gewährleistet werden. „Den Sinn der Batterieverordnung und auch des Critical-Raw-Materials-Acts – nämlich Rohstoffe in der EU im Kreislauf zu führen – werden wir nur dann erfüllen, wenn wir bei Fertigung und Konsum das Recycling von Anfang an mitdenken. Ansonsten stehen diese kritischen Ressourcen für die Energie- und Verkehrswende in der EU nicht zur Verfügung“, so Kurth weiter.
Vor diesem Hintergrund organisiert der BDE auf der IFAT eine Spotlight Area, die nicht nur den Stoffstrom Batterie in den Mittelpunkt stellt. Unter dem Titel „Circularity for E-Mobility“ beleuchtet der Verband zusammen mit Partnern aus dem Automotive-Sektor und weiteren Industrien verschiedene Materialien, die in der Autoproduktion nötig sind, um Elektromobilität zu ermöglichen. Zentrales Element des Messeauftritts ist die Darstellung einzelner „Events“ im Batteriekreislauf, aber auch die Präsentation von Kreisläufen bei Metallen, Kunststoffen und weiteren Stoffen in der Autofertigung. „Das Fahrzeug der Zukunft müssen wir im Gesamtpaket betrachten. Mit unseren Best-Practice-Beispielen wollen wir zeigen, dass das Schließen der Kreisläufe bei Batterien und weiteren Werkstoffen schon jetzt gelingt“, kündigt Kurth an.
Für einen maßgeschneiderten Recyclingstahl
Voraussetzung für den erhöhten Einsatz von Recyclingstahl ist, dass dieser möglichst hochwertig und auf die Anforderungen des jeweiligen Stahlherstellungsprozesses genau angepasst ist. Nach Angaben der BDSV kann durch innovative Verfahren in der Reinigung, Größenbestimmung, Analyse und Sortierung minderwertiger Stahlschrott effektiv separiert werden. Und die Prozessoptimierung geht noch weiter: Durch präzise Größenbestimmung von recyceltem Stahl mittels Schredder und eine anschließende chemische Analyse kann das resultierende Material entsprechend seiner Zusammensetzung getrennt und zugeschnitten werden. Intelligente Tracking- und Handling-Lösungen in Kombination mit Prozessautomatisierung berechnen die optimale Mischung für die Zusammensetzung des Recyclingstahls.
Die Entwicklung dieser neuen Verfahren ist jedoch sehr kostspielig und kann nach Ansicht des BDSV nicht allein von den Unternehmen der Stahlrecyclingbranche gestemmt werden. Die Partnerinstitution der IFAT fordert daher eine gezielte Förderung des stofflichen Recyclings ähnlich der energetischen Unterstützung bei wasserstoffbasierter Stahlerzeugung, deren Umsetzung schon jetzt viel teurer werde als bislang angenommen. Ziel sei die Verbesserung der Schrottqualität in allen Stahlerzeugungsprozessen. Die dadurch möglichen zukunftsweisenden Ergebnisse demonstriert laut BDSV beispielhaft das öffentlich geförderte Forschungsprojekt REDERS (Reduzierte CO₂-Emissionen durch Erhöhung der Recyclingquote bei der Stahlherstellung) in Nordrhein-Westfalen.