Aus Schmutzwasser werden bio-basierte Polymere ätherische Öle, Phenole und sauberes Wasser

Im AFTERLIFE-Projekt demonstrierten 14 Projektpartner aus sieben Europäischen Ländern erfolgreich einen neuen Weg der Abwasserbehandlung, bei der gleichzeitig wertvolle Inhaltsstoffe gewonnen und die restlichen organischen Bestandteile im großen Maßstab zu biobasiertem Polymer umgewandelt werden.
Bild: Bio Base Europe Pilot Plant VZW

Das Projekt startete im September 2017, unter der Koordination von Dr. María López von IDENER (Spanien), und endete im Februar 2022.

Die AFTERLIFE-Pilotanlagen wurden auf dem Gelände von BBEU in Belgien eingerichtet. Das Projektkonsortium validierte die Technologie auf Technology Readiness Level (TRL) 5. Das BBEU-Team entwickelte und betrieb vier Pilotanlagen für die Verarbeitung der folgenden vier Abwässer, die in AFTERLIFE behandelt wurden:

  • Abwässer aus der Süßwarenindustrie
  • Abwässer aus der Käseherstellung
  • Abwässer aus der Zitrusfrucht-Verarbeitung – Fruchtsaft-Linie („JL“, fruit juice line)
  • Abwässer aus der Verarbeitung von Zitrusfrüchten – Ätherische-Öl(„EO“, essential oils)-Linie

Die Kapazität der betriebenen Pilotanlagen betrug einen Kubikmeter Abwasser pro Tag. Die verschiedenen Pilotlinien wurden nacheinander betrieben und Ende August 2021 eingestellt. Die Produktion von ätherischen Ölen und Phenolextrakten war im Labor- und im Pilotmaßstab vergleichbar. Die Pilotanlagen lieferten Öle und Extrakte, die in Lebensmitteln getestet werden konnten. Die Filtration aller Abwässer erzielte gute Ergebnisse. Für die Herstellung von PHA (Polyhydroxyalkanoaten) wurden verschiedene Alternativen getestet. Dazu gehörten die Verwendung verschiedener Bakterienkulturen (Rein- und Mischkulturen) und verschiedene Betriebszeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass für eine stabile PHA-Produktion ein präzises Kontrollsystem benötigt wird.

Zwei Produktgruppen wurden im AFTERLIFE-Projekt gewonnen:

  1. Angereicherte Lebensmittel
  2. Lebensmittelverpackungen auf PHA-Basis
Ätherische Öle und Phenolextrakte

CELABOR (Belgien) stellte ätherische Öle und Phenolextrakte her. Diese wurden von CTNC (Spanien) in Lebensmitteln getestet, darunter in:

  • Smoothies
  • Mayonnaise
  • Grünen Oliven
  • Frischem Fleisch
  • Salat-Gazpacho
  • Oliven-Tapenade

Für jedes Produkt untersuchte das Team die antimikrobiellen, antioxidativen und organoleptischen Eigenschaften. Den Ergebnissen zufolge können ätherische Öle zur Erhaltung der mikrobiologischen Qualität von Mayonnaise beitragen. Der Zusatz von Flavonoidextrakten hatte eine antioxidative Wirkung, z. B. bei Oliventapenade.

Herstellung von PHA-basierten Materialien

Lurederra (Spanien) stellte Polyhydroxyalkanoat(PHA)-basierte Materialien her. Um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern, wurden die PHA mit einem anderen biobasierten Polymer kombiniert. CELABOR (Belgien) verwendete das gewonnene Material erfolgreich für die Herstellung von Kunststoffschalen für Lebensmittelverpackungen.

Sozio-ökonomische Auswirkungen des AFTERLIFE-Prozesses

Das nova-Institut (Deutschland) führte eine Analyse der sozio-ökonomischen Auswirkungen des AFTERLIFE-Verfahrens und der AFTERLIFE-Produkte durch. Ziel war es, die gesellschaftliche Wahrnehmung und mögliche sozio-ökonomische und politische Fallstricke zu identifizieren, und das in einem frühen Stadium der Entwicklung. So sollte die Optimierung des Prozessdesigns unterstützt werden. Unter der Leitung von Svenja Dahl kam das Team zu den folgenden Schlussfolgerungen:

  • Motor des AFTERLIFE-Prozesses: Effiziente Nutzung von Ressourcen und Wasser und Abkopplung von der Debatte um Lebensmittel als Rohstoffe
  • Wasserknappheit führt zu einem hohen potenziellen Interesse wichtiger Interessengruppen.
  • Günstige rechtliche Rahmenbedingungen: Die PHA-Produktion, insbesondere die im AFTERLIFE-Projekt betrachteten PHA-Produkte, werden in der EU-Politik nicht nach Rohstoffen getrennt betrachtet.
    • Ein Nachteil ist, dass die PHA-Produkte und -Anwendungen aus AFTERLIFE derzeit keine besondere Unterstützung oder Bevorzugung im Rechtsrahmen für Kunststoffe erfahren. Der Grund dafür ist, dass bio-basierte Polymere oder biologisch abbaubare sowie kompostierbare Kunststoffe nicht ausdrücklich ausgeschlossen oder bevorzugt wurden.
    • Die Europäische Kommission arbeitet an einem neuen Rahmen für bio-basierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe, der diese Probleme angehen und einen klaren und gut durchdachten unterstützenden Rechtsrahmen für diese Kunststoffe (einschließlich PHA) im Vergleich zu Kunststoffen auf
      fossiler Basis schaffen soll.
  •  Der Bau einer Bioraffinerieanlage bietet verschiedene Vorteile für die Region, z. B. die regionale Entwicklung und die intelligente Nutzung der lokalen Infrastruktur. Der Bioraffinerie-Abwasser-Markt ist jedoch noch instabil und die Produkte haben durch Anfangsinvestitionen und Forschung derzeit hohe Fixkosten.
Soziale Akzeptanz

Fokusgruppen mit zufällig ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmer lieferten interessante Informationen zu den Ansichten der Endverbraucherinnen und Endverbraucher über das AFTERLIFE-Verfahren und die PHA-Produkte:

  • Keiner der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte Bedenken wegen des Lebensmittelkontakts von aus Abwasser gewonnenen PHA. Das Risiko einer möglichen Ablehnung aufgrund des Lebensmittelkontakts der bio-basierten Kunststoffschalen konnte daher vernachlässigt werden.
  • Die Ressourceneinsparung durch aus Abwasser gewonnene PHA wurde als größtes Plus angesehen.
  • Das Lebensende der Produkte war den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr wichtig: Viele gaben an, dass sie den Green-Premium-Preis für Einmalkunststoff-Besteck nicht zahlen würden, wenn das Produkt nicht biologisch abbaubar oder kompostierbar ist.
  • Das Bewusstsein für die Produktionswege von Kunststoffen und für die Existenz verschiedener Kunststoffarten war sehr gering. Die Teilnehmer waren skeptisch gegenüber den Vorteilen von bio-basierten Kunststoffen.

Das AFTERLIFE-Projekt wurde gefördert durch Bio-based Industries Joint Undertaking (JU) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 745737. Die JU wird durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union und das Bio-based Industries Konsortium unterstützt.

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