Verpackungsrecycling: Qualitäten sichern

Die Verwertungsvorgaben des neuen Verpackungsgesetzes sind für die beteiligten Branchen eine Herausforderung, die man nur gemeinsam bewältigen kann. Zu diesem Ergebnis kamen die rund 180 Teilnehmer der Konferenz „Recycling und Recyclingfähigkeit von Verpackungen“, die am 06.12.2017 auf Einladung der AGVU, des bvse und des BDE in Berlin tagte.
Andreas Morlok, pixelio.de

Den Referentenreigen eröffnete Dr. Joachim Christiani, der sich in seinen Ausführungen auf den Stand der Technik der Sortieranlagen und die Herausforderungen für die einzelnen Verpackungsmaterialien bezog. Dabei wurde deutlich, dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um die schärferen Quotenanforderungen, insbesondere für die Kunststoffverpackungen, des neuen Verpackungsgesetzes in Zukunft erfüllen zu können. Er rechnet damit, dass dafür in Anbetracht der qualitativen Beschaffenheit von Verpackungen und Sammelgemisch sechs bis sieben neue Anlagen zur Sortierung nötig seien, so Christiani. Nach seiner Schätzung werden die benötigten werkstofflichen Verwertungskapazitäten wahrscheinlich über den derzeit in Deutschland verfügbaren Kapazitäten von 350 000 t/a liegen, was zu einem „signifikanten Preisanstieg“ führen dürfte. Für die Jahre 2019 bis 2022 prognostizierte er, dass die Quoten jedoch erfüllbar seien.

Die Wichtigkeit einer hochwertigen Sortierung unterstrich Oliver Gross von SUEZ, der sich in seinem Vortrag dafür stark machte, dass Deutschland wieder Recyclingweltmeister werde. Dies werde man aber nur erreichen, wenn die Sortierung hochwertiger werde. Sie sei der Schlüssel zu höheren Recyclingquoten. Mit Blick auf den zu erwartenden Abnahmestopp in China erhofft sich Gross eine Wiederbelebung der europäischen Recyclingindustrie. Neben der notwendigen quantitativen Steigerung der Sortierkapazität lag sein Hauptaugenmerk auf der Steigerung der Qualität. Er forderte daher eine Qualitätsoffensive für die Sortierung. Dazu seien Investitionen in zusätzliche Kapazitäten und innovative Technologien erforderlich. Eine echte Kreislaufwirtschaft sei in diesem Bereich aber nur erreichbar, wenn Verpackungen so gestaltet werden, dass sie auch recycelt werden können und wenn der Rezyklateinsatz gefördert werde. Von der Politik forderte er entsprechende Initiativen, wie beispielsweise einen reduzierten Steuersatz für Rezyklate oder auch – unter Verweis auf die CO2-Einsparungen durch das Kunststoffrecycling – CO2-Gutschriften.

Die Runde war sich einig, dass bei allen Fragen zur Verpackung in den Unternehmen derzeit eher die Marketingabteilungen gewinnen und nicht die Bereiche der Nachhaltigkeit. Nur im Zusammenschluss von Produzenten, Entsorgern, Sortierern und Recyclern werde es gelingen, die Recyclingfähigkeit der Verpackungen zu fördern. Ebenso müssten sich alle Beteiligten auch für den Einsatz von Recyclingrohstoffen in der Produktion stark machen. So müsse der Einsatz von Rezyklaten gezielt gefördert werden. Dies sei auch Aufgabe der Politik, die bislang immer noch beim Rezyklateinsatz auf die Freiwilligkeit der Industrie setzt.

Michael Wiener, CEO des Grünen Punkts, machte deutlich, dass die Industrie unter Beobachtung des Gesetzgebers stehe. Zwar setzen die Gesetzgeber in Brüssel und Berlin auf den Willen und damit die Eigenverantwortung der Industrie, sollten allerdings Erfolge kurz- bis mittelfristig ausbleiben, drohen weitgehende regulatorische Eingriffe, die den Handlungsspielraum der Industrie einschränken würden.

In diesem Zusammenhang verwies Dr. Thomas Rummler, Unterabteilungsleiter Kreislaufwirtschaft beim Bundesumweltministerium, auf die gesetzlichen Verpflichtungen der Dualen Systeme. Diese hätten gemäß § 21 VerpackG dafür zu sorgen, dass sie mit Beteiligungsentgelten Anreize schaffen, um die Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu verbessern, den Einsatz von Rezyklaten zu stärken und die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen zu fördern. Bisher, so Rummler, werden diese Aspekte bei der Lizenzentgeltbemessung nicht berücksichtigt. Zwar müsse anerkannt werden, dass sich der Verpackungsverbrauch von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung entkoppelt habe, gleichwohl gebe es einen hohen Pro-Kopf-Verbrauch. Daher sei es richtig, wenn ein Mindeststandard für das Bemessen der Recyclingfähigkeit durch die Zentrale Stelle beziehungsweise das Umweltbundesamt vorgegeben werde. Auf die Dualen Systeme kämen erstmals zum 01.06.2019 Berichtspflichten
zu, in denen sie jeweils darzustellen hätten, ob die Standards eingehalten werden und wie die Verknüpfung mit den Beteiligungsentgelten gestaltet werde. Darüber hinaus müsse ein Nachweis über die Umsetzung eines hochwertigen Recyclings geführt werden.

Einen breiten Raum nahm in der Konferenz die Frage nach der Produktverantwortung und dem Mindeststandard ein. Diese Anforderungen beleuchtete Stefan Dierks vom Kaffeekonzern Tchibo aus der Sicht des Handels. Auch dieser trete für Nachhaltigkeit ein, maßgeblich seien hier die Ziele und Leitlinien der Vereinten Nationen. Für den Handel müssten ökologische und soziale Standards aber auch mit ökonomischen Faktoren gekoppelt werden. Dies gelte auch für die Verpackungen, die das Produkt schützen, aber auch Marketingfunktionen erfüllen müssen. Es gelte dabei, Materialien und Materialkombinationen einzusetzen, die auch recycelbar sind. Zudem müsse die Öffentliche Hand Recyclingrohstoffe zumindest als gleichwertig ansehen. Zur Bemessung der Recyclingfähigkeit
von Verpackungen müsse von der Zentralen Stelle ein Mindeststandard festgelegt werden.

Anja Gerdung von Umweltbundesamt machte deutlich, dass sich ihre Behörde dieser Aufgabe stelle und berichtete über die UBA-Ansätze zur Bemessung der Recyclingfähigkeit. Wichtig sei dabei eine quantitative wie qualitative Betrachtung. Insbesondere komme es nicht nur auf theoretisch mögliches, sondern auf ein praktisch erwartbares Recycling unter den Gegebenheiten der Praxis hinsichtlich Sortierung und Verwertung an.

Dr. Stephan Löhle ergänzte diese Überlegungen mit der Vorstellung des Prüfschemas des Institutes cyclos-HTP zur Bemessung der Recyclingfähigkeit. Der Prüf- und Bewertungsstandard ermögliche nach seinen Worten eine quantitative Bemessung der Recyclingfähigkeit EU-weit auf Ebene der einzelnen Staaten. Er korrespondiere mit einschlägigen DfR-Richtlinien und berücksichtige die Vorgaben der DIN EN 13430 und der DIN EN 14021. Es biete jedoch außerdem durch die Differenziertheit seiner Bewertung auch wirksame Optimierungsansätze für ein Design-for-Recycling.

Den Blick in die Praxis ermöglichte den Teilnehmern zum Ende der Konferenz Dr. Michael Scriba, Geschäftsführer der mtm plastics GmbH, die zur Borealis Group gehört. Das Unternehmen verarbeitet jährlich 75 000 Tonnen vermischte Kunststoffe (mit erheblichen Anteilen an flexiblen Multilayer-Verbunden), Sperrmüllkunststoffe sowie Hartkunststoffe PE/PP. Scriba beschrieb anschaulich, was den Recyclern Probleme macht: zum Beispiel Reste in den Lebensmittelverpackungen, die ein aufwändiges Waschen erforderlich machen. Problematisch seien auch Verpackungen, bei denen die Oberfläche aus einem anderen Material bestehe als der Rest der Verpackung. Das sortiere der Nahinfrarot-Trenner falsch, so dass nur eine geringe Materialausbeute möglich sei. Seine Forderungen resultieren aus der Praxiserfahrung. Er empfiehlt den herstellenden Unternehmen, dass das Design-for-recycling vorgegeben werden sollte, die Einkäufer müssten zudem verpflichtet werden, tatsächlich nur wirklich benötigte Funktionalitäten einzufordern. Außerdem sollten nur kreislauffähige Verpackungen auf den Markt gebracht werden, die auch für Länder ohne geregeltes Abfallwirtschaftssystem (recycling readyness) geeignet sind.

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