„Ethische Abfälle“ aus dem Krankenhaus

Die zahlreichen Reformen im Gesundheitswesen haben den Kostendruck in Krankenhäusern erhöht. Vor allem im Bereich Abfallmanagement können Kliniken ihre Betriebskosten noch senken. Doch das Thema Entsorgung findet bei Klinikbetreibern noch zu wenig Beachtung.

Von Peter Steinhauer

Die amerikanische Schauspielerin Brigitte Nielsen ließ sich im vergangenen Jahr im Fernsehen bewundern, wie sie sich vor laufender Kamera per OP ihrer überflüssigen Pfunde entledigte. Leider blieb hinter den Kulissen dieses Spektakels versteckt, wie die Ärzte die der Schönheit abträglichen Fettpölsterchen entsorgen.

Einfach in der Mülltonne landet das Fettgewebe nicht. Experten nennen Körperteile oder Gewebereste, wie sie im Operationssaal anfallen, „ethische Abfälle“. Diese Art von Abfällen erfordern, wie viele andere Krankenhausabfälle auch, aus hygienischen und arbeitsrechtlichen Gründen eine ganz besondere Sorgfalt bei der Entsorgung.
Das Abfallaufkommen in Krankenhäusern ist generell sehr hoch. Mit 1,2 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr sind die Krankenhäuser der fünftgrößte Müllproduzent in Deutschland. Bei einem Großteil des Mülls im Krankenhaus geht es allerdings gar nicht so unappetitlich zu. Rund 90 Prozent haben hausmüllähnlichen Charakter und werden auf konventionellem Wege entsorgt.

Das Krankenhauspersonal muss in seiner täglichen Arbeit die Abfälle nach ihren Eigenschaften unterscheiden. Dabei ist vor allem die Trennung von infektiösem und nicht infektiösem Müll wichtig. Eine systematische Einteilung der Krankenhausabfälle unter infektionspräventiven und umwelthygienischen Gesichtspunkten findet sich in der „Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes“.

Im Jahr 2002 hat die Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) diese Richtlinie überarbeitet. Die LAGA formuliert in ihrem Merkblatt nicht nur eine Abfallklassifizierung gemäß des Europäischen Abfallkatalogs, sondern auch praktische Hinweise zur Abfallsammlung und -entsorgung sowie zum Transport.

Nach einem sechsstelligen Abfallschlüssel benennt der Europäische Abfallkatalog die verschiedenen Abfallgruppen. Zu den wichtigsten krankenhauspezifischen Abfallgruppen gehören spitze und scharfe Gegenstände, wie zum Beispiel Kanülen und Skalpelle. Diese Gegenstände sammeln die Krankenhäuser in besonderen bruch- und stichsicheren Behältern und entsorgen sie über den normalen Hausmüll. Bei diesem Müll steht der Arbeitsschutz im Vordergrund, damit niemand sich im Umgang mit dem Abfall verletzt.
Im Krankenhaus fallen auf vielfache Weise überwachungsbedürftige Abfälle an. Dazu gehören Altmedikamente, Laborabfälle, Chemikalien, Altöle, Lösungsmittel oder auch Abfälle aus der Röntgenabteilung. Die Entsorgung dieser Abfälle erfolgt durch ein nach der Entsorgungsfachbetriebeverordnung zertifiziertes Unternehmen und unterliegt der Überwachung durch die zuständige Landesbehörde.

Hartnäckig hält sich die Meinung, alle Abfälle aus dem Krankenhaus seien grundsätzlich infektiös und bedürfen deshalb einer speziellen Entsorgung. Nach heutigem Wissensstand kann man aber genau bestimmen, welche Erreger gefährlich sind. In dem LAGA-Merkblatt findet sich eine Liste der Krankheiten, deren Erreger sich über Abfälle verbreiten. Beispielsweise gelten kontaminierte Gegenstände mit Erregern von Aids, Tuberkulose, Cholera, Typhus oder Tollwut als infektiös. Alle diese Abfälle müssen gemäß Paragraf 10a des Bundesseuchengesetzes gemeldet und behandelt werden.

Die Entsorgung von Körper-, Organ- oder Gewebeabfall erfolgt aus ethischen und ästhetischen Gründen ebenfalls gesondert. Die Ärzte und das Pflegepersonal sammeln die Abfälle aus dem OP in speziellen Behältern und lagern diese in einem Kühlraum. Die Sonderabfälle aus dem Krankenhaus werden mitsamt ihrer Spezialbehälter der Verbrennung zugeführt. Die Verbrennung muss dabei unter einer definierten Hochtemperatur und innerhalb eines definierten Zeitraums erfolgen. Deshalb ist nicht jede Verbrennungsanlage für die Entsorgung von spezifischen Krankenhausabfällen ausgelegt. Viele Krankenhäuser unterhalten eigene Verbrennungsanlagen und versuchen so die Entsorgungskosten zu reduzieren.

Im Zuge der zahlreichen Reformen im Gesundheitswesen ist bei den Krankenhäusern in den zurückliegenden Jahren der Kostendruck immer größer geworden. Experten sehen im Bereich Abfallmanagement für Krankenhäuser eine große Chance zur Senkung der Betriebskosten. Das Thema Entsorgung findet allerdings bei Klinikbetreibern derzeit noch zu wenig Beachtung.

Jan-Gerd Kühling ist Geschäftsführer des Berliner Unternehmens ETLog Health GmbH und berät weltweit Krankenhäuser in Entsorgungsfragen. Er stellt fest: „Kliniken setzen derzeit andere Schwerpunkte.“ Marc Hoffmann von der Technischen Universität Darmstadt bestätigt diese Einschätzung: „Bei der Entsorgung medizinischer Abfälle können in der Regel viele Kosten reduziert werden. Aber bislang wird diesem Bereich noch zu wenig Bedeutung beigemessen.“ Der Diplom-Ingenieur hat zum Abschluss seines Studiums an der Universität Weimar ein Modellprojekt zur Abfallentsorgung am Universitätsklinikum Jena realisiert und zusammen mit René Stolze ein Buch mit dem Titel „Abfallmanagement an einem Krankenhaus mit Maximalversorgung“ veröffentlicht. Hoffman weist darauf hin, dass im Bereich der infektiösen Abfälle die Masse zwar nur gering ist, die Kosten für die Entsorgung aber sehr hoch sind. Er glaubt, dass hier für Krankenhäuser noch erhebliches Potenzial zur Kostenersparnis vorhanden ist.

Modellprojekt zur Abfallentsorgung

Dr. Schubert, Leiter der Stabsstelle Umwelt an der Universitätsklinik in Jena, hat mit Marc Hoffman bei der Erarbeitung des Abfallkonzeptes zusammengearbeitet. Er begrüßt das akademische Engagement sehr, weist aber darauf hin, dass die Umsetzung von Maßnahmen sehr stark abhängig ist von den ganz spezifischen Anforderungen der jeweiligen Klinik.Die Abfallgruppen, die in einem Krankenhaus anfallen, sind sehr unterschiedlich und vielfältig. Das Abfallmanagement sollte deshalb die Infrastruktur, das Abfallvolumen sowie die logistischen Abläufe genau untersuchen und eine genaue Bestandsaufnahme der eigenen Abfallsituation vornehmen. Erst dann lässt sich ermitteln, wie hoch das Einsparungspotenzial wirklich ist, und erst dann können konkrete Maßnahmen geplant werden.

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