Vielerorts gilt in der Abfallwirtschaft noch: Papier dominiert die Prozesse. Besonders im Umgang mit mineralischen Stoffströmen werden zentrale Dokumente wie Wiegescheine, Lieferscheine oder Analysen in zahllosen Unternehmen noch händisch erfasst. „Mindestens neun von zehn Unternehmen verarbeiten diese Dokumente manuell“, beschreibt Hauke Harders, Geschäftsführer von Boden & Bauschutt, seine Erfahrung. Das bedeutet: Mitarbeiter tippen Mengen, Kennzeichen und andere Daten in Excel-Tabellen ab – eine monotone Arbeit, die Fehler begünstigt und viel Zeit kostet. Ingenieurbüros, die in Großprojekten hunderte solcher Dokumente auswerten, verbringen dafür oft Stunden mit reiner Datenerfassung.
Die Branche steht damit vor einer doppelten Herausforderung: Zum einen müssen Prozesse effizienter gestaltet werden, weil Personal knapp ist. Zum anderen ist eine hohe Datenqualität erforderlich, um Kalkulationen, Abrechnungen und Nachweise rechtssicher zu gestalten. „Fachkräftemangel und Fehleranfälligkeit führen dazu, dass wir irgendwann gesagt haben: Man muss in dieser Branche KI einsetzen, um effizienter zu werden“, betont Harders.
Gleichzeitig gilt es, die Kosten im Blick zu behalten. Viele mittelständische Entsorger verfügen weder über große IT-Abteilungen noch über Budgets für komplexe Digitalisierungsprojekte. Stattdessen sind einfache, sofort nutzbare Lösungen gefragt.
Digital und intelligent
Vor diesem Hintergrund hat Boden & Bauschutt mit Förderung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und das Land Hessen den Service „Dokumente Digital“ entwickelt. Das Tool verarbeitet zunächst Wiege- und Lieferscheine, perspektivisch soll es auch Analysen und Bodengutachten erfassen können. Der Ansatz: KI erkennt Dokumenttypen, liest die relevanten Informationen aus und stellt sie in Echtzeit zur Verfügung.
„Lädt der Nutzer zum Beispiel ein Dokument mit insgesamt 40 Seiten hoch, fängt das System an, diese in einzelne Dateien aufzutrennen. Jede Seite wird kategorisiert, beispielsweise als Wiegeschein oder Lieferschein, und die extrahierten Daten stehen sofort in einer Excel-Datei bereit“, erklärt Harders. Technisch basiert das Tool nicht auf klassischer reiner Texterkennung, sondern auf einem Zusammenspiel mehrerer großer Sprachmodelle. „Die KI versteht aus dem Kontext heraus ähnlich wie ein Mensch, was ein Wiegeschein ist, was ein Gewicht und was ein Kennzeichen“, erläutert Mitgründer und Produktmanager Stanislaw Wieczorek. So ließen sich Fehler vermeiden, die herkömmliche Systeme bislang verursacht haben.
Die Bedienung ist bewusst niederschwellig gehalten: Dokumente können per Drag-and-Drop oder E-Mail ins System eingespeist werden. Für die Weiterverarbeitung stehen Excel-Exporte bereit – ein Format, mit dem nahezu jedes Unternehmen umgehen kann. „Jeder kann es sofort in seinen Workflow implementieren, ohne dass wir umfangreiche Schulungen machen müssen“, so Wieczorek.
Von Stunden zu Minuten
Der Nutzen zeigt sich nach der Erfassung: Aus stundenlangen Routinetätigkeiten können Minutenaufgaben werden. Auch strategisch kann die Lösung neue Möglichkeiten eröffnen. Durch die digitale Aufbereitung entsteht häufig zum ersten Mal eine verlässliche Datenbasis im Betrieb, die auch für künftige Bestrebungen nach mehr Automatisierung in der Kreislaufwirtschaft entscheidend sein kann. „Wir müssen anfangen, papierhafte Daten in wirklich wertvolle digitale Daten zu verwandeln, dann können wir auch echte Kreislaufwirtschaft ermöglichen“, meint Harders.
Für die Unternehmen bedeutet das aus seiner Sicht: weniger Aufwand, weniger Fehler und geringere Kosten bei gleichzeitig besserer Verfügbarkeit von Daten über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen hinweg. Sein Kollege geht noch einen Schritt weiter. „Unser Ziel ist es, immer mehr administrative Prozesse zu unterstützen. In Zukunft werden mehr und mehr Arbeitnehmer sogar verlangen, dass KI solche Aufgaben übernimmt“, prognostiziert Wieczorek.
Neben der direkten Arbeitserleichterung kann das Tool damit auch die Wettbewerbsfähigkeit der Branche unterstützen, die stark mittelständisch geprägt ist. Mit Start zum Jahresbeginn 2026 sollen flexible Preisstrukturen gerade kleineren Betrieben den schnellen Einstieg bereits ab 79 Euro pro Monat erleichtern.
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