Österreich verbraucht zu viele Rohstoffe aus primären Quellen. Der „Earth Overshoot Day“ – das ist jener Tag, an dem die Menschheit die jährlich nachwachsenden Ressourcen vorzeitig aufgebraucht hat – wurde in diesem Jahr im Juli erreicht, in Österreich hingegen war es bereits im März so weit. Hier muss dringend dagegen gesteuert werden. Eine Möglichkeit ist, bei der Herstellung von neuen Produkten statt sogenannten „primären“ Rohstoffen recycelte Materialien zu nutzen. Österreich erreicht Spitzenwerte beim Recycling, nun müssen die daraus gewonnenen Rezyklate von Industrie und Gesellschaft auch stärker nachgefragt werden. Damit das gelingt, fordert die Abfall- und Ressourcenwirtschaft die Gleichstellung von primären und recycelten Rohstoffen sowie eine verpflichtende Einsatzquote von recycelten Materialien. So wird der Markt für Rohstoffe aus wiederverwerteten Materialien gestärkt und die Nachfrage danach erhöht.
Derzeit werden Rezyklate gegenüber primären Rohstoffen stark benachteiligt. Sie unterliegen Sonderregelungen beim Transport, spezifischen Vorschriften bei der Verbringung ins EU-Ausland und veralteten Gesetzen, die zirkuläre Geschäftsmodelle behindern. „Recycling verhindert Ressourcenverschwendung. Aber solange primäre und sekundäre Rohstoffe nicht gleichgestellt sind, gibt es keine fairen Rahmenbedingungen für einen effizienten Markt“, bestätigt Gabriele Jüly, Präsidentin des VOEB.
Ein weiterer Ansatz umfasst, die Produzenten von Gütern in die Verantwortung zu nehmen. Die Industrie muss mittel- bis langfristig mehr recycelte Wertstoffe nutzen. Eine verpflichtende Einsatzquote von Sekundärrohstoffen ist daher immer wieder im Gespräch. Auch sollten Produkte von Anfang an so entworfen werden, dass die darin enthaltenen Wertstoffe leicht trennbar und recycelbar sind. Jüly: „Recycling beginnt beim Design. Jedes Produkt, egal ob eine Verpackung, ein Roller oder ein Photovoltaikmodul, sollte so entworfen werden, dass die darin enthaltenen Rohstoffe am Ende des Lebenszyklus mit wenig Aufwand entnommen und recycelt werden können. Nur dann kann echte Kreislaufwirtschaft funktionieren.“
Ein wirksamer Ansatz zur Stärkung des Sekundärrohstoffmarkts liegt in der öffentlichen Beschaffung. Bei Ausschreibungen sollten Unternehmen, die Produkte mit einem hohen Rezyklatanteil herstellen oder verarbeiten, bevorzugt werden. Das schont Ressourcen, spart Energie und reduziert CO2-Emissionen. Jüly: „Die Gewinnung und Verarbeitung von Primärrohstoffen ist besonders energieintensiv. Produkte, die aus Rezyklaten produziert werden, weisen eine geringere CO2-Bilanz auf und reduzieren den Ressourcenverbrauch. Das gilt für den Einsatz von Baustoffen bei Infrastrukturprojekten und bei Textilien, z.B. für Bettwäsche im Gesundheitswesen oder Polizeiuniformen.“ So kann die öffentliche Hand ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, den Einsatz von Recyclingmaterial wirtschaftlich attraktiver machen und zusätzliche Nachfrage schaffen.
Ressourcenschonung erfordert gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Neben klaren politischen Rahmenbedingungen braucht es ein stärkeres Bewusstsein für die Auswirkungen unseres Konsums sowie Produkte, die von Beginn an für Reparatur, Wiederverwendung und Recycling designt sind. Auch der Verzicht auf Einwegprodukte leistet einen spürbaren Beitrag. Reparieren statt Wegwerfen spart Rohstoffe – Modelle wie der Reparaturbonus senken dabei Hürden. Zahlreiche Initiativen zeigen, dass geschlossene Kreisläufe funktionieren und sich auf viele weitere Materialien übertragen lassen. „Wenn wir Ressourcen schützen wollen, müssen wir an einem Strang ziehen. Jede:r Einzelne kann dazu beitragen, dass wertvolle Materialien im Kreislauf bleiben“, betont Jüly.






