Kreislaufwirtschaft ist machbar

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung eine Kreislaufwirtschaftsstrategie für Deutschland entwickeln. Diese müsse im Kontext einer Klima- und Biodiversitätspolitik gesehen werden.
Foto: Rafael Zajczewski; pixabay.com

„Eine ganzheitliche ökologische und ökonomische Folgeabschätzung einer Circular Economy existiert für Deutschland allerdings noch nicht“, heißt es in der Machbarkeitsstudie „Modell Deutschland Circular Economy“. Die Studie wurde vom Öko-Institut, dem Fraunhofer ISI und der Freien Universität Berlin im Auftrag des WWF Deutschland durchgeführt. Dementsprechend sollen in der Studie „die methodischen und fachlichen Grundlagen für die ökologische und ökonomische Folgeabschätzung von Circular-Economy-Maßnahmen in relevanten Schlüsselsektoren“ geprüft werden. Dabei ist die Studie der erste Teil eines größeren Vorhabens des WWF Deutschland zur Kreislaufwirtschaft. Nächste geplante Schritte sind die Modellierung von Circular-Economy-Maßnahmen und die Entwicklung einer Roadmap.

Als Grundlage für das geplante Vorhaben ist eine Definition der Kreislaufwirtschaft notwendig. Die Studie zieht dazu die Definition des Auftraggebers WWF heran: „WWF defines a sustainable Circular Economy as a regenerative system, driven by renewable energy that replaces the current linear ‚take-make-dispose‘ industrial model. Materials are instead maintained in the economy, resources are shared, while waste and negative impacts are designed out. A sustainable Circular Economy creates positive environmental and society-wide benefits and functions within planetary boundaries, supported by an alternative growth and consumption narrative.“ Zudem werden in der Studie Definitionen der Europäische Kommission, der Ellen-MacArthur-Stiftung und der Circular-Economy-Initiative Deutschland diskutiert. Auf dieser Basis ergeben sich fünf Handlungsstrategien: Ressourcenflüsse verlangsamen, Nutzung von Produkten intensivieren, Ressourcenströme verringern, Materialsubstitution und Ressourcenkreisläufe schließen.

Die Studie hat elf Sektoren für die Mo­­dellierung von Circular-Economy-Maßnahmen ausgewählt: Verpackungen, Batterien, Informations- und Kommunikationstechnik (IKT), Haushaltsgeräte, Fahrzeuge, Hochbau, Tiefbau, Lebensmittel, Textilien, Möbel und Beleuchtung.

Verpackungen

Das höchste Einsparpotenzial bei Treib­hausgasemissionen haben Maßnahmen zur Reduzierung von Verpackungen, was nicht wirklich überrascht. „Durch ein Umstellen auf mehr Mehrwegverpackung, das Weglassen von vermeidbaren Verpackungen und die Reduktion der Verpackung durch verändertes Produktdesign kommt es insgesamt zu einer reduzierten Produktion von Verpackungen, was sich positiv auf die Bilanzierung der Treibhausgasemissionen auswirkt“, heißt es in der Studie. Ein ähnlich hohes Potenzial sieht die Studie auch in der Förderung von recyclingfähigen Packungsdesigns. Immerhin noch ein moderates Einsparpotenzial hätten die Maßnahmen „Optimierung der Mülltrennung“ und „Reduktion von Verpackungen durch Materialeinsparungen“. Gleiches gilt für Maßnahmen zur Verbesserung des Recyclings. Nur geringes Einsparpotenzial gebe es hingegen bei Maßnahmen zur Materialsubstituierung und beim Ausbau von Sortieranlagen.

Zielkonflikte sieht die Studie bei der Substitution von fossilen mit biogenen Kunststoffen. „Die Vorteile biogener Kunststoffe bezüglich der Treibhausgasemissionen werden in der Regel aber durch Nachteile in anderen Wirkungskategorien, wie zum Beispiel dem Flächenverbrauch und der Biodiversität, aufgezehrt.“ Die Studie weist außerdem auf eine mögliche Konkurrenzsituation zwischen dem chemischen und dem mechanischen Recycling hin. Zudem sei das chemische Recycling technologisch noch nicht ausgereift.

„Die Maßnahmen mit den höchsten Einsparpotenzialen haben bezüglich der Akzeptanz in weiten Kreisen der Industrie, dem Handel und bei vielen Verbraucher*innen große Zweifel aufkommen lassen und werden zumindest starker monetärer Anreize bedürfen“, heißt es in der Studie.

Batterien

Auch bei Batterien liege das höchste Einsparpotential in einer geringeren Produktion und einer geringeren Nutzung von Primärmaterial. „Eine Reduzierung der Batterieproduktion wird zum Beispiel durch die Weiternutzung von Altbatterien, Nutzung von Altbatterien als Energiespeicher oder die Verlängerung der Lebensdauer von Batterien erreicht.“ Höhere Recyclingquoten und der stärkere Einsatz von Sekundärmaterialien würden den Bedarf an Primärmaterialien reduzieren. Maßnahmen für ein besseres Batteriedesign für Wiederverwendung und Recycling sieht die Studie als ergänzende Maßnahme mit moderatem Einsparpotenzial. Einem besseren Ressourcenmanagement in der Produktion schreibt die Studie nur ein mittleres Einsparpotenzial zu. „Da ein effizienteres Ressourcenmanagement in der Produktion im eigenen Interesse der Unternehmen liegt, wird angenommen, dass ein Großteil der Einsparpotenziale bereits ausgeschöpft ist.“ Nur geringes Einsparpotenzial sieht die Studie bei der Materialsubstitution.

Viele Maßnahmen seien nur mit Investitionen, monetären Anreizen und Gesetzesänderungen realistisch umsetzbar. Zudem weist die Studie darauf hin, dass die marktstrukturellen Voraussetzungen zur Erhöhung der Sammelquoten noch nicht gegeben seien.

IKT

„Eine Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer von IKT-Geräten hat das größte Umweltentlastungspotenzial, denn die Herstellungsphase der IKT-Geräte hat den größten Anteil an lebenszyklusbezogenen Umweltauswirkungen“, heißt es weiter. Besonders wirksam seien daher ein langlebiges Design, die Umsetzung von Mietmodellen und die Förderung von Wiederaufbereitungs- und Reparaturmaßnahmen. Maßnahmen zum Remanufacturing und Recycling seien von den Umweltentlastungspotentialen her geringer einzustufen.

„Leider sind die marktstrukturellen Vo­raussetzungen für die Umsetzung von Maßnahmen mit besonders hohem Umweltentlastungspotenzial oft schlecht“, so die Studie. Dies sei zum einen auf die oftmals sehr günstigen Neugeräte zurückzuführen. Zudem gebe es keine ökonomischen Anreize, um die Lebens- und Nutzungsdauer der Produkte zu verlängern. Eine positive Wirkung von langlebigen Designs, Mietmodellen und Wiederaufbereitung könne nur bei hochpreisigen Geräten erreicht werden.

Eine lange Lebens- und Nutzungsdauer erfordere in der Produktentwicklung höhere Kosten. Auch bei Mietmodellen würden in der Anfangsphase höhere Kosten entstehen. Diese müssten an die Verbraucher*innen weitergeben, was deren Akzeptanz für diese Konzepte reduziert. „Vor allem scheinen das Potenzial von Mietmodellen unter aktuellen Rahmenbedingungen überschätzt. Sharing-Modelle sind im Bereich IKT eher unrealistisch.“

Haushaltsgeräte

Auch bei den Haushaltsgeräten hat eine Verlängerung der Lebens- und Nutzungsdauer das größte Umweltentlastungspotenzial. Die Energieeffizienzverbesserungspotenziale seien weitgehend ausgeschöpft. Daher sind Maßnahmen zu einem langlebigen Design, Mietmodelle und die Förderung von Wiederaufbereitungs- und Reparaturmaßnahmen besonders relevant. Die Probleme sind hier ansonsten ähnlich gelagert wie im IKT-Sektor. „Günstige Kaufpreise von Neugeräten beschleunigen den Ersatz von Geräten, die theoretisch noch repariert werden könnten. Mietmodelle sind im privaten Endkonsument*innenmarkt noch marginal. Hier spielen neben komplexen vertraglichen und ökonomischen Unsicherheiten auch datenschutzrelevante Anliegen eine Rolle, wenn z. B. Nutzerdaten zur Umsetzung von Preventive Maintenance erhoben werden.“

Fahrzeuge

Bei den Fahrzeugen sieht die Studie das größte Potenzial in der Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Durch eine stärkere Nutzung von Carsharing und Mitfahrgelegenheiten könnten die Treibhausgasemissionen 2050 um 19 bis 30 Prozent reduziert werden. Bei einer Substitution der gefahrenen Kilometer mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei das Einsparpotenzial noch größer. Die Reduktion der Fahrzeuggröße, ein langlebiges Design und Remanufacturing hätten moderate Einsparpotenziale. Maßnahmen zur Materialsubstitution, Closed-Loop-Recycling und Produktionseffizienz hätten hingegen nur ein geringes Einsparpotenzial.

Zielkonflikte sieht die Studie bei einer Reduzierung der elektrischen Reichweite. Dies würde einerseits zu geringeren Batteriegrößen und einem geringeren Fahrzeuggewicht führen. Gleichzeitig könnte damit aber auch die Akzeptanz für Elektroautos sinken. „Eine geringere Akzeptanz von Elektroautos hätte eine negative Auswirkung auf das Einsparpotenzial von THG-Emissionen im Verkehr-Sektor.“ Ein weiterer Zielkonflikt bestehe zwischen dem Einsatz von Kohlenfaserkunststoff und der Recyclingfähigkeit der Fahrzeuge.

Hochbau

„Die für den Sektor Hochbau aufgeführten Circular-Economy-Maßnahmen haben fast alle ein großes Umweltentlastungspotenzial“, so die Studie. Dazu gehörten unter anderem die Reduktion der Rauminanspruchnahme, eine Planung für die Demontage, die Verlängerung der Lebensdauer von Gebäuden, die Nutzung biobasierter Materialien, eine reduzierte Materialnutzung durch ein entsprechendes Design, die Wiederverwendung von Baumaterialien und der Einsatz von Bautechnologien zur Minimierung von Abfällen. Während die Reduktion von Wohn- und Büroräumen zu Kosteneinsparungen führe, seien allen anderen Maßnahmen mit mäßigen bis hohen Kostensteigerungen verbunden. Zielkonflikte seien kaum vorhanden.

Tiefbau

Auch hier würden alle Maßnahmen zu signifikanten Umweltentlastungen führen. Dazu gehörten etwa die Reduktion des Einsatzes von Stahl und Beton durch Design, der Einsatz neuer Fertigungsverfahren zur Minimierung von Abfällen, die Verlängerung der Lebensdauer von Infrastruktur sowie die Wiederverwendung von Baustahl und Strukturbeton. Materialeinsparungen würden zudem theoretisch zu Kostensenkungen führen.

Lebensmittel

Bei Lebensmitteln hätten vor allem Maßnahmen zur Umstellung der Ernährung auf eine stärker pflanzenbasierte Kost hohes Umweltentlastungspotenzial. Ebenfalls großes Potenzial schreibt die Studie der Reduktion von Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu. Vor allem bei den Verbraucher*innen und der Gastronomie seien hier große Einsparungen möglich. „Allerdings müssen bei diesen Maßnahmen Gewohnheiten umgestellt werden. Verbraucher*innen sind es gewohnt, immer alles zur Verfügung und zur Auswahl zu haben. Eine Gewohnheitsänderung bei Verbraucher*innen wäre wahrscheinlich am einfachsten durch eine Verteuerung der Lebensmittel oder eine Besteuerung für vermeidbare Lebensmittelabfälle zu erreichen.“ Auch die Wiederverwendung von Lebensmittelabfällen als Futtermittel sei sinnvoll. Weitere Maßnahmen mit relevantem Einsparungspotenzial seien eine effizientere Produktion, ein verbessertes Monitoring zur Vorbeugung von Ernteausfällen, die Nutzung und Verwertung von B-Ware bei der Gemüseproduktion und die Nutzung von Reststoffen aus der Agrarproduktion als biogene Ressource.

Textilien

„Im Sektor Textilien weisen gerade diejenigen Maßnahmen ein hohes Treibhausgaseinsparpotenzial auf, welche zu einer Verlängerung der Nutzungsphase beitragen (z. B. Haltbarkeit verbessern, Reparierbarkeit gewährleisten, Reparaturservice anbieten, zeitloses Design).“ Dies sei aber ein klarer Gegentrend zu dem Wandel, den die Textilindustrie in den vergangenen Jahrzehnten vollzogen hat. Einsparpotenzial böten auch der Einsatz recycelter Fasern und das Faser-zu-Faser-Recycling. „Dazu sei angemerkt, dass gut zu prüfen ist, für welche Textilprodukte und zu welchen Anteilen der Einsatz von rezyklierten Fasern sinnvoll ist, damit die Qualität der Produkte nicht leidet. Parallel müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit der Einsatz von rezyklierten Fasern nicht zu einer höheren Schadstoffbelastung von Textilien führt.“

Zielkonflikte sieht die Studie zum einen beim Leasing von Kleidungsstücken. Hier könnten die Transportwege zu höheren Emissionen führen. Beim Recycling müsse darauf geachtet werden, dass nicht Material aus anderen Anwendungen (konkret PET) in Kleidung verwendet wird.

Möbel

In diesem Sektor sei die Informationslage eher schlecht gewesen. Die Maßnahmen würden sich eher auf einzelne Möbel beziehen und könnten schlecht für den ganzen Sektor verallgemeinert werden. Generell hätten Wiederverwendung, Recycling und energetische Verwertung Potenzial. Das gelte auch für Materialsubstitutionen und die Verwendung von recyceltem Material.

Beleuchtung

„Von den Maßnahmen für den Sektor Beleuchtung haben nur vier ein großes Umweltentlastungspotenzial. Alle vier Maßnahmen führen zu einem reduzierten Materialverbrauch bei der Produktion oder zu einer geringeren Produktion von Beleuchtungssystemen insgesamt.“ Dabei handele es sich um Materialeinsparung bei der Herstellung, den Verzicht auf Deko-Lampen, Lampensysteme mit austauschbaren Leuchtmitteln und Beleuchtung als Dienstleistung. Eine Steigerung der Sammlung von Altleuchten habe eher ein moderates Umweltentlastungspotenzial. „Recycling sollte als Teil des Produktkonzeptes angesehen werden“, so die Studie.

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