Geringe Auswirkungen von Mikroplastik auf Miesmuscheln

Wie sehr bedroht Kunststoffmüll das Leben im Ozean? Eine generelle Antwort ist schwierig, denn es bisher gibt es kaum realistische Studien. Ein Geomar-Team hat die Langzeitauswirkungen von Mikroplastik auf Miesmuscheln untersucht.
In Kulturkammern setzte Thea Hamm Miesmuscheln 42 Wochen lang verschiedenen Konzentrationen von Mikroplastik aus. (Quelle: Jan Steffen/Geomar)

Egal ob Forscher in den Sedimenten der Tiefsee oder im Eis der Polargebiete nachschauen – mittlerweile finden sie auch in den entlegensten Stellen der Erdoberfläche Mikroplastikpartikel. Über die Auswirkungen dieser vom Menschen verursachten Verschmutzung ist jedoch verhältnismäßig wenig bekannt. Einige Wal- und Seevogelarten können nachgewiesenermaßen verenden, wenn sie zu viel größere Plastikteile verschlucken. Doch realistische Studien zu den Effekten von Mikroplastik, also von Partikeln kleiner als fünf Millimeter, auf andere marine Organismen sind rar.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel haben jetzt in „Science of the Total Environment“ die Ergebnisse des bislang längsten Laborexperiments zu den Auswirkungen von künstlichen Mikropartikeln auf Miesmuscheln veröffentlicht. „Entgegen verbreiteter Befürchtungen zeigt unsere Studie, dass die Miesmuscheln auch über einen längeren Zeitraum kaum von Mikroplastik im Wasser beeinträchtigt werden“, sagt Thea Hamm, Erstautorin der Studie.

Miesmuscheln eignen sich nach Geomar-Angaben als Modellorganismus für derartige Studien besonders gut, weil sie in vielen Küstenökosystemen verbreitet sind. Zur Nahrungsaufnahme filtrieren sie Meerwasser und nehmen dabei unweigerlich Mikroplastik auf, das im Meerwasser vorhanden ist.

Thea Hamm setzte für die Studie junge Miesmuscheln über einen Zeitraum von 42 Wochen verschiedenen Konzentrationen von Mikroplastik aus. „Das Besondere an dieser Studie ist nicht nur der lange Zeitraum, sondern auch, dass die Verschmutzung in den Versuchstanks Werten entsprach, die wir in der Umwelt wirklich messen“, sagt die Biologin. Dr. Mark Lenz, ihr Co-Autor, ergänzt: „Viele frühere Studien liefen nur über deutliche kürzere Zeiträume, nutzten dafür aber unrealistisch hohe Plastikkonzentrationen. Das kann das Bild natürlich verfälschen.“

Um das Experiment noch naturnäher zu gestalten, testete Hamm auch die Reaktion der Muscheln auf verschiedene Mikroplastikarten und -größen. „Wir verwendeten gleichmäßig runde Partikel, wie sie zum Beispiel in Kosmetika Verwendung finden, aber auch unregelmäßig geformte, wie sie beim Zerfall größerer Kunststoffteile entstehen“, berichtet Hamm, für die das Experiment Grundlage ihrer Doktorarbeit ist.

Während des Versuchszeitraums maß sie dann verschiedene Werte, die Aussagen über den Zustand der Muscheln erlaubten. Dazu gehörte zum Beispiel die Wachstumsrate der jungen Muscheln, die Produktion der Haftfäden, mit denen sie sich am Untergrund festhalten, oder auch die Rate, mit der sie Futteralgen aus dem Wasser filterten.

Negative Effekte des getesteten Mikroplastiks auf die Leistung der Muscheln traten erst spät im Experiment auf und waren eher schwach. Damit deutet diese bisher längste Laborstudie zu diesem Thema darauf hin, dass Mikroplastik – zumindest in den Konzentrationen, in denen es zurzeit im Meer vorkommt – nur eine geringe Bedrohung für Miesmuschelpopulationen darstellt. „Das ist zunächst eine beruhigende Nachricht. Sie bedeutet aber noch keine Entwarnung was die Verschmutzung mit den Mikropartikeln generell angeht. Andere Arten reagieren vielleicht anders. Wir benötigen einfach noch mehr Langzeitexperimente unter realistischen Bedingungen“, fasst Thea Hamm zusammen.

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