Mehr bauen mit weniger Material

Der DFG-Sonderforschungsbereich "Adaptive Hüllen und Strukturen für die gebaute Umwelt von morgen" der Universität Stuttgart soll aufzeigen, wie mit adaptiver Architektur mehr Wohnraum mit weniger Material emissionsfrei geschaffen werden kann.
Treppenaufgang des Demonstrator-Hochhauses (Quelle: Stefanie Weidner, Universität Stuttgart/ILEK)

In der zweiten Förderperiode des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1244 geht die Sprecherschaft von Prof. Werner Sobek (Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren) auf Prof. Oliver Sawodny (Institut für Systemdynamik) über. Professor Oliver Sawodny betont: „Wir konnten in der ersten Förderperiode beweisen, dass unsere Arbeitshypothese stimmt: mit Hilfe adaptiver Hüllen und Strukturen können wir eine drastische Einsparung von Müll, Ressourcen und Emissionen für das Bauwesen leisten. Die Verlängerung des Projektes unterstreicht die Anerkennung der globalgesellschaftlichen Bedeutung unserer Arbeit.“

Bauen als Herausforderung und Chance

Das Bauschaffen steht derzeit für mehr als 50 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs, so führt das derzeitige Bauvolumen von mehr als 1.000 Tonnen pro Sekunde in immer mehr Ländern zu Engpässen in der Materialversorgung – ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Verknappung von Sand, der zur Betonherstellung benötigt wird. Zudem steht das Bauwesen für nahezu 40 Prozent der klimaschädlichen Emissionen, allein die Herstellung von Beton verursacht nahezu das Dreifache an Treibhausgasemissionen wie die globale Luftfahrt.

Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, wird der Bedarf nach Wohnraum in den kommenden Jahren weiterhin ansteigen, sodass sich aus dem Bauwesen selbst die drängendsten ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit speisen.

Der SFB 1244 konnte in den vergangenen vier Jahren konkret aufzeigen, dass mit Hilfe adaptiver Elemente erhebliche Mengen an Baustoffen sowie der damit verbundenen grauen Energie und den grauen Emissionen eingespart werden können. Solche Elemente ermöglichen es, die strukturellen und die bauphysikalischen Eigenschaften von Materialien und Bauteilen gezielt so zu verändern, dass diese sich immer optimal an unterschiedliche Belastungen anpassen. Dadurch können tragende Strukturen mit weniger Material- und Energieeinsatz hergestellt werden.

Erstes adaptives Hochhaus der Welt im Zentrum der Arbeit
Adaptives Demonstrator-Hochhaus als Großexperiment des SFB 1244 (Quelle: Universität Stuttgart/ILEK)

Die Ergebnisse der ersten Förderperiode flossen in den Bau des ersten adaptiven Hochhauses der Welt ein, das bis Ende 2020 auf dem Gelände der Universität Stuttgart entsteht. „Das Hochhaus mit Muskeln“ wird den Forschenden in den kommenden vier Jahren weiterhin als Großexperiment dienen, um zu zeigen das mit Hilfe adaptiver Fassaden und flächiger Bauteile der Beitrag zur Material- und Emissionseinsparung im Bauwesen weiter erhöht werden kann. Die neuartigen Tragwerke und Fassaden können sich selbstregulierend an äußere Einwirkungen anpassen, um somit intelligent mit Energie und Masse zu wirtschaften. Diese Art adaptiver Architektur revolutioniert zugleich das architekturtheoretische Verständnis dessen, was wir als Bauwerk betrachten. Im Zentrum der Forschung steht somit auch die Überarbeitung der Vorstellung des Bauwerkes als fertiges Produkt hin zu einem sich stets anpassenden Konstrukt, das als Mittler zwischen dem Menschen und dessen Umwelt fungiert.

Zusätzlich zu 14 Instituten der Universität Stuttgart, dem Arbeitsgebiet Architektur und Kunst der HafenCity Universität Hamburg, der Abteilung Kunst und Design der Hochschule für Künste Bremen, dem Fraunhofer Institut für Bauphysik, Standort Holzkirchen und Stuttgart wird sich in den kommenden vier Jahren das Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt als weitere außeruniversitäre Einrichtung dem Sonderforschungsbereich anschließen. Der Forschungsverbund umfasst somit 23 Teilprojekte mit über 50 Forschenden. Er wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit über 10 Millionen Euro für die kommenden vier Jahre gefördert.

Das Wissen und die Erkenntnisse der Forscherinnen und Forscher werden auch in Zukunft einer möglichst breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Das Demonstrator-Hochhaus wird in den kommenden vier Jahren Bürgerinnen und Bürgern in Führungen zugänglich gemacht und ist zudem Teil der Internationalen Bauausstellung 2027 Stuttgart und Region. Der SFB 1244 ist außerdem Teil des Advance AEC, eines Netzwerks der weltweit führenden Forschungsverbünde im Bereich des Bauwesens und somit in ein internationales Netzwerk für interessierte Fachleute und Laien eingebunden. Weiterhin lädt der SFB 1244 interessierte Bürgerinnen und Bürger regelmäßig zu Vorträgen und Symposien ein.

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