Zeitarbeit in der Entsorgungsbranche: Die schnelle Eingreiftruppe und ihr Konfliktpotential

Zeitarbeitsfirmen nehmen inzwischen verstärkt die Entsorgungsbranche ins Visier. Die großen Entsorgungsunternehmen haben allerdings teilweise eigene Zeitarbeitfirmen und sehen die Personaldienstleister als unliebsame Konkurrenz. Während die Zeitarbeitsfirmen selbst ihre schnelle Eingreiftruppe als Weg aus der Krise anpreisen warnen Experten vor Lohndumping.

Nach seinem Abgang als Bundeswirtschaftsminister hat sich Wolfgang Clement in den Dienst des weltweit größten Personaldienstleisters Adecco begeben. Nun darf er frei von parteipolitischen Zwängen die Zeitarbeit als Erfolgsstory preisen: „Zeitarbeit war in den vergangenen Jahren europaweit die erfolgreichste Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.“

Der Optimismus des Ex-Ministers scheint momentan aber einen Dämpfer abzubekommen. Die Wirtschaftskrise macht auch vielen Personaldienstleistern einen dicken Strich durch die Rechnung. Das Marktforschungsinstitut Lünendonk hat eine aktuelle Studie zu Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-unternehmen in Deutschland veröffentlicht. Nach dieser Studie erwarten die Top 25 Zeitarbeitsunternehmen einen deutlichen Rückgang der Umsätze von durchschnittlich 22,7 Prozent. Einzelne Anbieter gehen sogar von einem Rückgang um bis zu 40 Prozent aus.

Zeitarbeiter sind bei Auftragsspitzen als schnelle Eingreiftruppe sehr willkommen. Verschlechtert sich die Lage, dann setzen die Unternehmen auf die Stammbelegschaft und entlassen als Erste ihre Zeitarbeiter.

Intensivkurse für die Zeitarbeiter

Zeitarbeitsfirmen versuchen nun verstärkt, in neue Kundensegmente vorzustoßen. Der holländische Personaldienstleister Randstad hat dabei die Entsorgungsbranche ins Visier genommen. David Helmes, Key Account Manager bei Randstad, verkündet per Pressemeldung: „Wir kennen die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Kundenunternehmen aus der Entsorgungsbranche genau und können optimal passende Arbeitnehmer aus unserem Mitarbeiterpool vermitteln.“

Zeitarbeiter sorgen auf der einen Seite für schnelle Arbeitsentlastung auf der anderen Seite für  Zündstoff. (Foto: Bilderbox)
Randstad setzt dabei verstärkt auf die Qualifizierung der Mitarbeiter: „Wir bereiten Arbeitnehmer individuell auf jeden neuen Einsatz vor. Ist dennoch eine Einarbeitungszeit notwendig, vereinbaren wir, wie wir mit den entstehenden Kosten verfahren.“ Zum Qualifikationsprogramm bei Randstad gehören Weiterbildungsmaßnahmen und auch spezielle Intensivkurse zur Sammlung, Aufbereitung und Sortierung von Wertstoffen.

Neben großen Firmen wie Adecco, Randstad oder Manpower tummeln sich auf dem Markt der Personaldienstleister viele kleine und mittelständische Spezialisten. Die Lemke Personalservice GmbH mit Standorten in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat sich auf die Personalvermittlung in der Entsorgung spezialisiert. Das Unternehmen vermittelt Fahrer sowie Beifahrer für Müllfahrzeuge, DSD-Sortierkräfte oder Lagerarbeiter. Geschäftsführer Wolfgang Lemke kann seinen Aufwand für die Mitarbeiter in der Entsorgungsbranche genau beziffern: „Bevor ein Mitarbeiter fit für die Recyclingbranche ist, schlagen Arbeitsschutzausrüstung, Sicherheitsbelehrungen und -schulungen, ärztliche Vorsorgeuntersuchungen und ein Qualitätsmanagement schon mal mit 500 Euro zu Buche.“

Experten sehen Spezialisten wie die Lemke Personalservice GmbH noch nicht so sehr vom allgemeinen Abbau der Zeitarbeit betroffen. In Zukunft werden diese Firmen jedoch auch einem verstärkten Wettbewerbsdruck ausgesetzt sein. Große Firmen – wie das Beispiel Randstad zeigt – versuchen nun, auch in den Bereich der Mittelständler vorzudringen.

Entsorgungsunternehmen wollen sich kaum äußern

Den großen Entsorgungsunternehmen sind Informationen zum Thema Zeitarbeit nur schwer zu entlocken. Auf Anfragen reagieren sie nur sehr zurückhaltend, wenn überhaupt. Wesentlich auskunftsfreudiger zeigen sich die Gewerkschaften und Betriebsräte. Ellen Naumann, Leiterin des Fachbereichs Entsorgung bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, berichtet, dass es in der Entsorgungswirtschaft gängige Praxis ist, eigene Zeitarbeitsfirmen zu gründen und auf diese Weise unternehmensintern Personal zu verleihen. Unternehmen, die eine eigene Zeitarbeitsfirma unterhalten, sind beispielsweise die Entsorgungskonzerne Alba, Remondis, Veolia und Sita.

Die Praxis der großen Entsorgungskonzerne stößt nicht nur bei den Gewerkschaften, sondern auch in der Zeitarbeitsbranche auf nur wenig Begeisterung. Michael Wehran, Sprecher des Bundesverbands Zeitarbeit, glaubt, dass die konzerneigenen Personalfirmen auch zu Lohndumping missbraucht werden können: „Wir kritisieren es, wenn Unternehmen eigene Zeitarbeitsfirmen gründen, nur um die branchenüblichen Löhne zu drücken.“

Hans-Jürgen Debus, Betriebsratsvorsitzender des Entsorgungskonzerns Sita, macht deutlich, warum die Zeitarbeitsbranche die konzerneigenen Personalfirmen als unliebsame Konkurrenz ansieht: „Unternehmen wie Randstad, die brauchen die Entsorgungskonzerne überhaupt nicht.“

Hoffen auf einen Mindestlohn

Die Entsorgungsunternehmen hingegen argumentieren, dass sie Zeitarbeit nicht einsetzen, um Tarife zu umgehen. Zeitarbeit sei vor allem ein Instrument, um zum Beispiel nach einer gewonnenen Ausschreibung kurzfristig Personal zu rekrutieren. Die Unternehmen nutzten deshalb die Zeitarbeit als ein Instrument für mehr Flexibilität bei der Personalplanung.

Gewerkschaften sehen durchaus die Notwendigkeit zu mehr Flexibilität. Die Arbeitnehmervertreter kritisieren aber, dass Zeitarbeit vielfach eingesetzt wird, um Tarife auszuhebeln. In der Presse tauchen immer wieder entsprechende Berichte auf, wie etwa im vergangenen Jahr, als es hieß, dass der Alba-Konzern über seine Verleihtochter Euro Recycling Service (Eures) Sortierer in Karlsruhe 7, 50 Euro pro Arbeitsstunde gezahlt hätte. Der Tariflohn bei der gleichen Stammbelegschaft lag aber bei 11,17 Euro.

Damit die Zeitarbeit nicht zum Lohndumping missbraucht wird, fordern viele Marktteilnehmer die Aufnahme der Zeitarbeitsbranche in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz.

Selten, aber wahr: Bei der Zeitarbeit sind sogar die Arbeitgeber für einen Mindestlohn. Der Mindestlohn soll verhindern, dass Unternehmen aus Osteuropa den deutschen Markt mit Billiglöhnen unterwandern. So strebt der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) zusammen mit dem Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (IGZ) sowie dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) einen Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche von 7,15 Euro an.

Beim Thema Mindestlohn für die Zeitarbeit kann sich die Regierungskoalition derzeit jedoch nicht einig werden. Niemand rechnet damit, dass vor der Bundestagswahl im September 2009 eine Entscheidung fällt.

Gute Aussichten für Zeitarbeitsfirmen

Auch wenn die Zeitarbeitsbranche derzeit von der Wirtschaftskrise hart getroffen scheint, so sind die Aussichten für die Zukunft dennoch positiv. Im März dieses Jahres arbeiteten nach einer Erhebung der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit rund 600.000 Menschen in Zeitarbeit. Branchenexperten schätzen, dass zum Ende des Jahrzehntes rund eine Million Zeitarbeiter beschäftigt sein werden.
Die Zeitarbeits- und Personaldienstleistungsbranche tut derzeit alles dafür, dass die Entwicklung weiterhin positiv verläuft. Sie möchte ihr Schmuddelimage ablegen und sich nicht in einem ständigen Unterbietungswettbewerb verschleißen.
Notwendiger denn je erscheint es, die Mitarbeiter in der Zeitarbeit noch besser zu qualifizieren. Denn der Wettlauf der Unternehmen um die besten Fachkräfte hat gerade erst begonnen.

Peter Steinhauer

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